Ben - Alles auf Anfang (German Edition)
stand und es mit eigenen Augen gesehen hat.
Im Schlafzimmer hat sich dann auch Mirkos düstere Prophezeihung erfüllt. Unter einem Haufen alter Klamotten, Zeitungen und einer Steppdecke kommt ein toter Hund zum Vorschein. Oder besser gesagt, eine Hündin, denn ein ganzer Wurf Welpen liegt, ebenfalls mumifiziert und verschrumpelt, neben ihr.
Der Anblick schafft mich echt. Ich habe keine Ahnung, woran das Tier gestorben ist, aber ich fühle eine unglaubliche Wut auf die Unbekannten, die hier gehaust haben.
Sie haben nicht nur das Eigentum anderer Menschen missachtet und verkommen lassen, sondern auch noch tatenlos zugesehen, wie diese lebenden Wesen kläglich krepiert sind! Und selbst dann haben sie die toten Körper einfach nur zugedeckt und sind zur Tagesordnung – oder besser -unordnung! - übergegangen.
Auch hier sind meine beiden Kollegen deutlich abgebrühter. Sie nehmen die toten Tiere mit einem Kopfschütteln zur Kenntnis, aber dann überwiegt wieder der praktische Gedanke. Nämlich der, dass die Kadaver nicht zusammen mit dem übrigen Müll entsorgt werden dürfen, sondern in die Tierkörperbeseitigungsanstalt gebracht werden müssen, was zwar kein Riesenaufwand ist, aber immerhin einen zusätzlichen Weg bedeutet. Es entspinnt sich eine Diskussion, wer das auf sich nehmen darf und es wird schnell deutlich, das keiner der Beiden darauf wirklich Bock hat.
Weil ich immer noch wütend bin und eigentlich gar nicht fassen kann, wie kaltschnäuzig die Jungs mit der Sache umgehen, schneide ich Mirko irgendwann das Wort ab und sage: „Ist kein Problem. Ich mach das!“, und begebe mich dann auf die Suche nach einem Behältnis, in das ich die tote Hündin und ihre Welpen verpacken kann.
Anschließend stelle ich den Karton samt seinem traurigen Inhalt ins Wohnzimmer, und wir räumen erst mal weiter.
Gegen 16 Uhr machen wir Schluss und haben tatsächlich noch das gesamte Schlafzimmer und einen Teil der Küche geschafft. Der Rest muss eben bis zum nächsten Tag warten.
Ich schnappe mir den Karton und eile die Treppen runter, streife mir den Papieroverall ab und werfe ihn gerade in den Container, als Mirko und Timo aus der Haustür kommen. Sie haben die Wohnung noch abgeschlossen und sind deshalb einen Moment später als ich.
Ich lasse mir noch erklären, wo genau sich die Tierkörperbeseitigungsanstalt befindet, und dann verabschieden wir uns, denn ich fahre natürlich nicht mit den Beiden im Firmenwagen zurück, sondern nehme den Bus in die Außenbezirke.
Eine knappe Stunde später bin ich dann endgültig auf dem Heimweg und habe immer noch einen dicken Kloß im Magen.
Das Abgeben der toten Tiere war irgendwie so völlig … würdelos. Ich meine, ich habe mir gewiss nicht vorgestellt, dass man da eine große Sache draus macht und auch was diese Beseitigungsanstalt mit solchen Tieren anfängt, war mir einigermaßen klar. Aber mit der nackten Realität konfrontiert zu werden, das hat dann doch noch mal eine andere Qualität. Allein schon der Geruch. Ganz ähnlich wie in der vermüllten Wohnung, nur ein bisschen tierischer.
Ein Arbeiter hat mir den Karton abgenommen, und ich musste noch ein Formular ausfüllen, auf dem es um ihre Herkunft ging. Damit auch ja alles seine Ordnung hat, immerhin sind wir hier in Deutschland! Hoffentlich ist mein Chef nicht sauer, dass ich Namen und Adresse seiner Firma angegeben habe, aber was hätte ich sonst schreiben sollen? Ich hab ja keinen Schimmer, wie diese Proleten heißen, denen die Hündin mal gehört hat.
Ich habe dann aber doch noch gefragt, was mit den Tieren genau passiert, und der Typ hat mich verwundert angeglotzt, die Schultern gezuckt und gesagt: „Die werden natürlich verbrannt. Was denn sonst?“
Und das war`s dann.
Als ich endlich zuhause ankomme, bin ich total erledigt, verschwitzt und stinke nach der Messi-Wohnung. Ich will eigentlich nur noch duschen, was essen und dann in mein Bett fallen, auch wenn es gerade mal kurz nach 17 Uhr ist. Aber es ist auch keine rein körperliche Erschöpfung. Ich bin einfach immer noch ziemlich mitgenommen von dem was ich heute erlebt habe.
Klar, im Fernsehen hab ich sowas natürlich schon mal gesehen. Gibt ja genügend TV-Sender, die ihre Quote machen, indem sie den Proleten von nebenan gestatten, ihre Fratzen und ihre Probleme (was meiner Meinung nach oft genug dasselbe ist!) publikumswirksam in die Kamera zu halten. Aber verglichen mit der Realität ist das alles gar nichts. Das hab` ich heute gelernt.
Ich stehe
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