Ben - Alles auf Anfang (German Edition)
beugt sich nach vorn, und eine ihrer Hände legt sich kühl auf meine. Energisch schüttelt sie den Kopf.
„Nein, Ben! Glauben sie mir – sie sind keine Affäre für ihn! Manuel sitzt zuhause in seiner Wohnung und leidet wie ein Tier!“
Ich springe auf und kann ein Schnauben nicht unterdrücken. „Na, da bin ich aber froh, dass wenigstens mir das Ganze so meilenweit am Arsch vorbeigeht! Vielen Dank!“
„So hab` ich das nicht gemeint, und das wissen sie auch, Ben! Ich habe schließlich Augen im Kopf!“ weist sie mich gutmütig zurecht. Ich nicke und fahre mir mit der Hand durchs Haar.
„Manuel hat Angst.“ Sie sagt das völlig selbstverständlich, trotzdem muss ich im ersten Moment ungläubig auflachen.
„Wer? Manuel? Wovor soll der denn Angst haben? Vor mir?“, will ich wissen.
„Nein, aber davor dass sie eines Tages aufwachen, sich umschauen und feststellen, dass er und sie aus völlig unterschiedlichen Welten stammen. Dass sie erkennen, wie minderwertig er ist und ihn – verlassen“, kommt es ernst und völlig ruhig von Agnes.
Mir reißt es buchstäblich die Beine weg.
Ich plumpse zurück aufs Bett und starre die Frau an, minutenlang, ohne sie wirklich zu sehen. Passt das was sie da sagt zu dem Manuel, den ich kennengelernt habe?
…
Ich sehe ein Bild an einer Wand, höre wie Manuel es als naiven Scheißdreck bezeichnet, als brotlose Kunst und komme zu dem Schluss, dass Agnes wirklich recht haben könnte.
Ich denke weiter nach und betrachte unsere letzte Begegnung unter diesem Aspekt.
„Also … hat er mich nur weggeschickt, weil er Angst hat, ich könnte ihm den Laufpass geben, weil er mir - was ist? Zu arm? Zu … gewöhnlich? Und darum beendet er die Sache selbst, um sich zu ersparen, dass ich ihn abserviere? Oder wie? Das ist doch völlig bescheuert! Als wir uns kennengelernt haben, stand ich finanziell bestimmt um einiges schlechter da, als er! Und wenn ich Eins inzwischen begriffen habe, dann dass sich der Wert eines Menschen nicht an seiner Brieftasche oder seinem Stammbaum messen lässt!“
Agnes nickt. „Das schon. Aber trotzdem hatten und haben sie ihre Familie in der Hinterhand, die jederzeit bereit ist, ihnen den benötigten Rückhalt zu bieten. In jeder Hinsicht. Und Manuel hat nur mich.“
Mir kommt ein anderer Gedanke, eigentlich DER Gedanke überhaupt, aber angesichts der bahnbrechenden Eröffnungen von Agnes, ist er irgendwie völlig in den Hintergrund gerutscht.
„Also heißt das, dass Manuel mich doch ... liebt?“ frage ich atemlos und mit plötzlich glühenden Wangen.
Agnes nickt erneut und lächelt. „Aber ja. Er sagt es zwar nicht laut, aber eine Mutter spürt sowas doch! Wissen sie, wir telefonieren oft miteinander, und er hat mir schon einige Male von ihnen erzählt. Und er hat mir ganz gewiss nicht von jedem Kerl erzählt, der seinen Weg gekreuzt hätte, das können sie mir glauben! Aber vor allem war es die Art, WIE er von Ihnen gesprochen hat. Das hat mich überzeugt, dass es dieses Mal etwas wirklich Ernstes für ihn sein muss. Als ihr Name dann plötzlich gar nicht mehr fiel, wurde ich natürlich hellhörig. Aber Manuel wollte nicht mit der Sprache heraus. Darum habe ich ihn schließlich besucht. Ich habe einen furchtbaren Schrecken bekommen, als er mir aufgemacht hat und aussah wie das Leiden Christi! Irgendwie habe ich es geschafft, ihm die ganze Geschichte aus der Nase zu ziehen und glauben sie mir auch das noch – mit ihrem Bruder und dem Prozess damals hat das alles nur ganz am Rande zu tun! Ich glaube, für Manuel war das nur eine Art Weckruf, der ihm bewusst gemacht hat, welchen unterschiedlichen Hintergrund sie Beide haben, mehr nicht. Und die Sache mit dem Prozess schiebt er in Wirklichkeit nur vor. Auch vor sich selbst.“
Das klingt alles sehr einleuchtend, bringt mich aber nicht weiter.
„Und was mach` ich jetzt?“, frage ich deshalb. „Wie soll ich ihn denn überzeugen, dass ich es ehrlich meine? Dass ich ihn liebe und es mir scheißegal ist, ob er viel oder wenig Geld hat!? Von mir aus kann er auch Kanalarbeiter sein oder Müllmann! Ich liebe doch ihn und nicht seinen Job!“
Der ersten Euphorie ist Ratlosigkeit auf dem Fuße gefolgt, und ich sehe hilfesuchend zu Agnes hinüber. Aber die hebt auch nur die Schultern.
„Ich fürchte, das werden sie für sich selbst herausfinden müssen. Sie ...“ sie hält inne und schaut zu mir hinüber, hebt einen Mundwinkel und meint: „Wollen wir nicht dieses blöde 'sie'
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