Ben Driskill - 02 - Gomorrha
Driskill! Sie sind wirklich der letzte, den ich hier zu sehen erwartet hätte. Aber jetzt sind Sie da. Ist meine Mrs. Keating – sie heißt Flora – nicht ein Schatz? Haben Sie gut geschlafen? Ist alles in der Lodge zu Ihrer Zufriedenheit?« Er war stinksauer, wollte sich jedoch seinen großen Tag nicht ruinieren.
»Alles war prima. Mrs. Keating ist wirklich großartig. Und soweit ich das beurteilen kann, glauben die meisten Leute hier, daß Sie die Nominierung so gut wie in der Tasche haben.«
Hazlitt zuckte mit den Schultern. »Die Dinge fügen sich zusammen.« Er beobachtete Driskill mißtrauisch. »Es wird knapp werden. Wie nimmt der Präsident es auf?«
»Mit seinem üblichen Gleichmut natürlich. Die Tatsache, daß Sie ihn umbringen müssen, falls er nominiert wird, ist nicht unbemerkt geblieben. Man könnte sagen: Alle halten die Augen offen.«
»Sie sagen die beschissensten Sachen, Ben. Falls Sie hergekommen sind, um mir eine Botschaft zu bringen … nun, warum bringen Sie’s nicht hinter sich und lassen uns in Frieden. Ist Charlie raus? Zieht er seine Kandidatur zurück? Hat er Sie deshalb hergeschickt? Will er vor der Niederlage kneifen, die ich ihm in Chicago bereiten werde? Wollen Sie sich für Ihr Benehmen im Croquet Club entschuldigen? Wenn ja, hat er Sie geschickt, um Abbitte zu tun? Oder sind Sie aus eigenem Antrieb gekommen? Wollen Sie vielleicht das Lager wechseln?« Er lächelte. Es war das warme, leere Lächeln, das ihm im Lauf der Jahre viel eingebracht hatte.
»Er möchte, daß Sie das Rennen aufgeben, Bob. Gehen Sie mit Anstand, dann wird niemand die Wahrheit erfahren.«
»Ach, ist das alles?« Hazlitts Gesicht und seine Stimme waren plötzlich eisig. Seine Augen bohrten sich in Driskills. »Entweder hat er den Verstand verloren, oder ich werde taub. Was stimmt davon?«
»Sie sind erledigt, Bob. Es ist alles aus. Sie werden das Rennen aufgeben und auf dem Parteitag in einer Rede erklären, daß Sie eigentlich immer nur Einfluß auf die Politik nehmen wollten und daß Sie nach einem langen Gespräch mit dem Präsidenten das Gefühl hätten, daß er das verstanden hätte und daß er und Sie dieselbe Wellenlänge hätten und Sie deshalb als Sonderberater für den Präsidenten tätig werden.«
Hazlitt drehte sich langsam um und blickte zu einem Mann, der drei oder vier Meter entfernt stand. Der Mann beobachtete Hazlitt und Driskill. Er trug Kopfhörer. Driskill kapierte, daß Hazlitt ein Mikrophon trug und daß dieser Typ sein Leibwächter war. Er war ein typischer Sicherheitsbeamter, eine kleinere Ausgabe von Clint Eastwood. Die Augen leicht zusammengekniffen. Er fing Hazlitts Blick auf und nickte. Beim Gehen zog er das eine Bein etwas nach – aber so stolz, als sei das Hinken ein Orden oder als wollte er sagen, daß er es sich im Dienst für seinen Boß geholt habe. Über seinem Nasenrücken klebte ein kleines Pflaster. Er trug einen waschbaren, hellbraunen Sommeranzug. Über der Pilotensonnenbrille glitzerten Schweißtropfen auf der Stirn. Er mußte das Jackett tragen, um seine Artillerie zu verstecken. Der kurze Blickwechsel mit dem Leibwächter hatte Hazlitt gereicht, um die Fassung wiederzuerlangen.
»Drohungen auf der Geburtstagsparty meiner Mama zeugen von schlechten Manieren, Ben. Hoffentlich haben Sie eine plausible Erklärung. Moment mal.« Er ging zurück zu seiner Mutter, die offenbar eingeschlafen war. Die Schwester wischte ihr das Kinn ab. Hazlitt kniete neben ihr nieder, legte den Kopf an ihre Wange und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Die alte Frau bedeutete ihm mit der runzligen Hand wegzugehen. Wieder zurück, fragte er: »Haben Sie eine Mama, Ben?«
»Nein, meine Mutter starb, als ich ein Kind war.«
»Ach! Aber es ist keine ungetrübte Freude, eine zu haben, die hundert ist. Armes Ding … aber sie will leben, um zu sehen, wie ihr kleiner Junge Präsident wird.«
»Na ja, ich hoffe, Sie haben da draußen in der Pampas irgendwo einen kleinen Bruder, Bob; denn Sie werden es nie werden.«
»Sie müssen schon etwas deutlicher werden, ehe ich einfach kapituliere. Ich glaube, Sie geben nur heiße Luft von sich, Soldat.«
Hazlitt führte Driskill zu einem Waldweg, weg von der Menge. Sie gingen zum Fluß, wo die Trauerweiden sich neigten, um mit den Zweigen das Wasser zu berühren. Die Wolken hatten sich nach Osten verzogen. Der Himmel war blau. Selbst die untergehende Sonne brannte noch wie ein Laser. Der Leibwächter blieb dicht hinter ihnen und horchte angestrengt
Weitere Kostenlose Bücher