Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"
und den schmalen Wasserarm durchpflügte.
Der Wind klatschte ihr die nassen Kleider an den Leib, während die Gischt vor ihr hoch aufspritzte. In der Nähe des Ufers sah sie einen kleinen Alligator. Das Sumpfgebiet, das sie einschloss, hatte sein Abendlied angestimmt, aber ansonsten konnte sie nichts hören, auch wenn sie noch so angestrengt lauschte. Sie hatte nicht das Gefühl, dass noch ein anderes Boot in der Nähe war, doch wirklich sicher sein konnte sie sich nicht.
Schmerz und heftige Gewissensbisse fuhren mit ihr mit, aber darunter lag schnell wachsender Zorn. Sie konnte es immer noch nicht glauben, dass das passiert war, und wer steckte dahinter? Irgendein krankes Gehirn, das versuchte, seine Allmachtsgelüste auszuleben, oder noch Schlimmeres? Sie fand einfach keine Erklärung. Aber irgendwie würde sie es herausfinden. Doch vorher musste sie zu Roan.
Als sie um eine Biegung kam, schaute sie in die weite Öffnung eines Wasserarms, der in einen sich verzweigenden Kanal mündete. Jenseits davon sah man einen Streifen Himmel, den die untergehende Sonne rot färbte. Davor zeichnete sich ein großes Fiberglasboot ab, mit den Silhouetten zweier Männer. Als sie mit dem Dinghi in Sicht kam, sprang der Motor an. Dann machte das Boot einen Satz, und das Bugwasser schäumte auf, als es vorwärts schoss.
Das Boot raste auf sie zu. April hielt unbeirrt ihren Kurs. Mit einer Hand fest an der Ruderpinne, schoss sie auf das andere Fahrzeug zu.
Einer der Männer bückte sich, und als er wieder hochkam, hatte er ein Gewehr in der Hand. Er brachte es in Anschlag. Der andere Mann brüllte irgendetwas, beugte sich vor und riss das Gewehr hoch, so dass die Mündung in den Himmel zeigte. Ein kurzer Wortwechsel folgte, dann wurde das Gewehr wieder an seinen ursprünglichen Platz zurückgeworfen.
April gab noch mehr Gas, sie kam näher und näher. Sie kniff die Augen zusammen, um die Gesichter der Männer erkennen zu können. Die beiden glichen sich wie ein Ei dem anderen in ihrer militärischen Tarnkleidung, mit identischen Schirmmützen auf dem Kopf, die sie sich tief in die Stirn gezogen hatten. Sie wirkten auf sie gesichts- und identitätslos und unerschütterlich.
Sie würde sie rammen. Das Boot der beiden war nicht nur schwerer, sondern auch größer und stabiler. Wenn sie kollidierten, würde das Dinghi kentern, und sie würde in hohem Bogen hinausgeschleudert werden und untergehen. Vielleicht würde sie aber auch gegen das andere Boot geschmettert werden.
Es war ihr egal. Es war ihre einzige Hoffnung auf Entkommen.
Die Lippen des Mannes am Steuer verzogen sich zu einem Fluch. Er riss das Ruder hart nach rechts herum. Das Boot kam ins Schlingern. April schoss ganz knapp daran vorbei, auf die erste heranrollende Welle seines Kielwassers zu.
Das Dinghi wurde hochgeschleudert. April klammerte sich an den Seiten fest, als es mit einem harten Knall in dem Wellental aufsetzte, doch als die nächste Welle heranrollte, wurde es gleich wieder hochgeschleudert. Bei der Wucht des Aufpralls fiel April auf die Knie. Sie verspürte einen scharfen Schmerz. Im selben Moment schmeckte sie Blut und wusste, dass sie sich auf die Zunge gebissen hatte.
Dann tanzte sie über kleinere Wellen, begleitet von dem Röhren zweier Außenbordmotoren und dem Wind, der ihr die Haare ins Gesicht peitschte. Ein Stück weiter vorn ragte eine Wand aus Wasserzypressen vor ihr auf. Sie riss das Steuer herum und schoss auf die größte Lücke zu.
Das Boot hinter ihr drehte ab und kreuzte die Furchen ihres Kielwassers. Die Männer hatten sie gesehen, sie wussten, wer sie war. Sie versuchten, sie zu schnappen.
April triumphierte. Sie hatte es geschafft, sie hatte die Verfolger von Luke abgelenkt. Sie würde sie von ihm fortlocken und dann Roan zu Hilfe holen. Und nichts würde sie aufhalten können. Nichts.
Das andere Boot raste hinter ihr her. Aber der Motor klang jetzt ein bisschen gedrosselt. Auch wenn das große Fiberglasboot mehr PS hatte und schneller war, konnten diese Vorteile auf den kleinen, sich dahinschlängelnden Kanälen, wo man immer wieder Hindernisse umfahren musste, längst nicht voll ausgeschöpft werden. Das Dinghi war kleiner und leichter handhabbar, man kam mit ihm an Stellen, an die man mit dem anderen Boot nicht gelangte. Sie hielt ihren Vorsprung, während sie im Zickzack dahinraste und erst den einen Wasserarm hinunterschoss und dann den nächsten, wobei sie sich immer den breitesten aussuchte.
Sie versuchte sich an den Weg
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