Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"
keine Namen“, verteidigte sie sich. „Ich benutze nur ein bisschen von diesem Hintergrund. Die Benedicts sind ein Teil der Geschichte dieser Gegend. Ihre Erfahrungen spiegeln die Erfahrungen der ältesten Familien, die sich in Turn-Coupe niedergelassen haben, wider, nur dass sie ein bisschen bunter sind als andere. Ich habe ganz gewiss nicht vor, irgendjemanden, der heute noch lebt, schlecht zu machen.“
„Das wissen sie nicht, und außerdem legen sie Wert auf ihre Privatsphäre. Davon abgesehen gibt es in ihren Augen keinen großen Unterschied zwischen schlecht und lächerlich machen.“
Er hatte Recht, auch wenn sie es nur höchst ungern zugab. Sie runzelte nachdenklich die Stirn und sagte: „Ich werde versuchen, sowohl das eine als auch das andere zu vermeiden, aber mit der ganzen politischen Korrektheit heutzutage wird es immer schwieriger, einen passenden Bösewicht zu finden.“
„Wir haben alle unsere Probleme“, gab er ohne erkennbares Mitgefühl zurück.
Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu, doch die Mühe war umsonst, weil er seine Augen immer noch geschlossen hielt. Nachdem sie die Salbe aufgetragen hatte, machte sie die Tube wieder zu und legte sie beiseite, dann schnitt sie mehrere Lagen Verbandmull zurecht. Während sie sie faltete und behutsam auflegte, fragte sie: „Woher weißt du denn, dass es Schwefelsäure war?“
„Weil Tom vom Eisenwarenladen mir irgendwann mal eine falsch etikettierte Flasche Schwefelsäure statt der Salzsäure verkauft hat, die ich eigentlich wollte.“
„Wofür hast du die denn gebraucht?“
„Salzsäure? Ich wollte das Moos von der Vordertreppe in Chemin-a-Haut entfernen.“ Er öffnete die Augen. „Warum?“
Sie beschäftigte sich angelegentlich mit dem Abschneiden der Pflasterstreifen, mit denen sie die Mulllagen befestigen wollte, und sagte: „Bloß so … ich habe nur überlegt, wo er die Schwefelsäure herhatte.“
„Schwefelsäure aufzutreiben ist nicht schwierig“, gab er mit einem Schulterzucken zurück, und sie spürte, dass er sich wieder entspannte. „Es ist eine der gebräuchlichsten Chemikalien, die man für alles, angefangen von Kunstdünger bis hin zum Reinigen von Drogen, nimmt. In Autobatterien ist auch Schwefelsäure. Wenn irgendjemand unauffällig drankommen will, braucht er nur dem nächstgelegenen Schrottplatz einen Besuch abzustatten.“
„Und woher weißt du das alles?“
„Aus einem Lexikon, und zwar als ich herauszufinden versuchte, was ich mit einer Gallone Schwefelsäure anstellen soll“, brauste er auf. „Herrgott, April, du glaubst doch nicht etwa …“
„Nein, natürlich nicht“, unterbrach sie ihn, während sie das letzte Stück Mull befestigte und dann zurücktrat. „So, das wars. Und jetzt dusche ich wohl besser erst mal selbst, damit ich mir meine eigenen Brandblasen auch verarzten kann.“
Er richtete sich halb auf und schaute sie an. „Hast du auch was abbekommen? Aber ich dachte …“
„Nicht bewegen!“ warnte sie ihn, aber er hatte bereits innegehalten, weil ihn ein scharfer Schmerz durchzuckt hatte. Sie legte ihm leicht eine Hand auf den Arm. „Bleib noch einen Moment liegen, bis die Schmerztablette wirkt. Ich habe nichts weiter, nur zwei winzig kleine Stellen.“
„Bist du sicher?“ Er schaute sie forschend an.
„Ja. Ich bringe dir deine Sachen aus dem Bad, damit du dich anziehen kannst, wenn der Schmerz ein bisschen nachgelassen hat.“
Er antwortete nicht, sondern musterte sie nur eindringlich. April wandte sich ab und ging eilig durchs Ankleidezimmer ins Bad.
Als sie mit seinem Hemd und seiner Hose zurückkam, sah sie, dass Luke sich ein Kissen unter den Kopf gestopft hatte. Seine Augen waren geschlossen. Er wirkte jetzt ein bisschen entspannter, so als ob der Schmerz bereits nachgelassen hätte.
Es hatte etwas beunruhigend Sinnliches an sich, wie er da so langgestreckt auf ihrem Bett lag, mit seiner dunklen Haut, die in einem lebhaften Kontrast zu dem weißen Badelaken stand. Die dichten Kränze seiner Wimpern warfen gebogene Schatten über seine gerade Nase. Sie konnte seine dunklen Bartstoppeln sehen, ebenso wie eine kleine Narbe in einer Braue, und den Puls, der gleichmäßig und kräftig an seinem Hals schlug.
Was machte sie da? Hier herumzustehen und Luke Benedict anzustarren, war ungefähr ebenso töricht, wie ihn überhaupt in ihr Hotelzimmer einzuladen. Jetzt fehlte bloß noch, dass er die Augen aufschlug und sie ertappte.
Sie fuhr herum und griff nach der
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