Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"
fort, „dass mir dieser Gedanke im Zusammenhang mit dir tatsächlich schon gekommen ist.“
Lukes Brust fühlte sich plötzlich so eng an, dass es wehtat. Er überlegte, dass er jetzt wohl besser erst herausfinden sollte, wo er stand, bevor diese Sache noch weiterging. „Und zu welchem Schluss bist du gelangt?“
„Dass alles möglich ist“, erklärte sie trotzig, während sie an ihrer Autotür zerrte. „Würdest du bitte loslassen? Ich möchte losfahren.“
Er rührte sich nicht vom Fleck. „Du glaubst also wirklich, ich hätte etwas mit dem Vorfall von letzter Nacht zu tun?“
„Ich weiß nicht, was ich glauben soll“, sagte sie mit einem Anflug von Verzweiflung. „Ich kenne dich nicht mehr. Und manchmal denke ich, dass ich dich nie gekannt habe.“
„Ich bin derselbe“, sagte er mit ruhiger Entschiedenheit. „Ich bin immer noch derselbe.“
„Schön, aber ich nicht! Ich bin nicht mehr so naiv und unschuldig und vertrauensselig. Harte Muskeln, ein großspuriges Grinsen und meine eigenen amourösen Anwandlungen beeinflussen mich nicht mehr. Ich muss von niemandem beschützt werden und schon gar nicht von dir. Also geh mir jetzt endlich aus dem Weg, sonst fahre ich dich über den Haufen!“
Sie meinte es ernst. Jetzt war garantiert nicht der richtige Zeitpunkt, um sie zu irgendetwas zu drängen. „Ja, Ma’am“, erwiderte er todernst, bevor er die Tür zuschlug und einen Schritt zurücktrat.
„Pass auf dich auf. Ich fahre direkt hinter dir her.“
„Dann solltest du besser dicht an mir dranbleiben, sonst siehst du gleich nur noch eine Staubwolke“, sagte sie, während sie den Zündschlüssel umdrehte.
Luke beobachtete, wie sie losfuhr und den Lincoln aus der Auffahrt lenkte. Gleichzeitig hallte das, was sie eben gesagt hatte, in seinem Kopf wider.
Nein, sie war nicht mehr dieselbe. Sie hatte sich eine schwere Rüstung zugelegt, und die rasiermesserscharfen Worte, die sie wie Verteidigungswaffen einsetzte, schnitten ihm tief ins Fleisch. Aus ihr war eine schöne Frau mit einer bewundernswerten Intelligenz und einem harten Panzer geworden. Sich wieder auf sie einzulassen, könnte sowohl für sein Herz als auch für sein Ego gefährlich sein.
Und doch würde er es versuchen. Er musste es versuchen, er musste seine ganze sauer verdiente Erfahrung aufbieten, um sie wieder in seine Arme zu locken, auch wenn er wusste, dass er dabei eine fürchterliche Niederlage riskierte.
Immerhin hatte sie seine Muskeln registriert, oder etwa nicht? Ein Pluspunkt für ihn, wenn auch ein etwas fragwürdiger. Und sie hatte amouröse Anwandlungen, wie sie gesagt hatte. Interessant. Vor allem, wenn sie sich auf ihn richteten.
Als er den Kopf schüttelte, spielte um seine Mundwinkel ein Lächeln. „Oh, April, Sweetheart“, sagte er weich. „Keine Angst, ich bleibe dicht an dir dran. So dicht, dass du mich für deinen Schatten hältst. Jedes Mal, wenn du aufschaust, werde ich da sein. Und auch wenn du wegrennst, so schnell du kannst, wirst du mir doch nie entkommen. Nie.“
7. KAPITEL
M idnight war verschwunden.
Da er ein Kater war, hatte er die Angewohnheit, durch die Gegend zu streifen, vor allem, wenn April ihn ein paar Tage auf Mulberry Point allein ließ. An der Hintertür war ein Katzeneingang, und sie stellte ihm immer reichlich Futter und Wasser draußen hin, davon abgesehen, dass auch die Nachbarn von Zeit zu Zeit nach ihm schauten. Wenn sie von einer Reise zurückkam, zierte er sich normalerweise immer erst ein bisschen, weil er verstimmt war, dass sie ihn allein gelassen hatte, aber er ließ sich trotzdem nie davon abhalten, sie zu begrüßen, wenn sie in ihre Einfahrt einbog.
Doch diesmal war er nicht gekommen, als April gerufen hatte, und er hockte auch nicht in einem seiner Verstecke wie dem alten Kutschenhaus, das als Garage benutzt wurde, oder unter dem Dachvorsprung des Hauses. Auch von seinem Lieblingsfressen hatte er sich nicht anlocken lassen. Dass sie laut rufend durchs Unterholz hinter dem Haus gekrochen war, hatte ihr nichts eingebracht, außer dass sich Schlingpflanzen um ihre Fußgelenke gewickelt hatten.
Natürlich war es möglich, dass er während ihrer Abwesenheit eine neue Gespielin gefunden hatte. April hatte es nie übers Herz gebracht, ihn kastrieren zu lassen, egal wie unverantwortlich es auch sein mochte. Seine letzte Romanze hatte nur kurz gedauert, dann war er – kriegsversehrt, erschöpft und um Mitleid heischend – wieder an den häuslichen Herd zurückgekehrt. Sie
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