Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"
brauchte sich keine Sorgen zu machen, zumindest für die nächsten zwei Tage noch nicht.
Midnight war nur ein Straßenkater, ein Streuner, der in ihrem letzten Winter in New Orleans immer unter ihrer warmen Kühlerhaube geschlafen hatte. Martin hatte den Gedanken, eine schwarze Katze als Haustier zu halten, weit von sich gewiesen, was einer der Gründe dafür gewesen war, dass sie so entschlossen gewesen war, das kleine Kätzchen zu zähmen und zu behalten. Sie hatte Midnight gefüttert und aufgezogen, sie hatte mit ihm gespielt und ihm alle ihre Sorgen erzählt. Zum Dank schenkte ihr der Kater seine innige Zuneigung und Hingabe. Er lag stundenlang auf der sonnigen Fensterbank vor ihrem Schreibtisch. Wenn er der Meinung war, dass sie genug gearbeitet hatte, erhob er sich, machte einen großen Buckel und sprang dann auf ihren Schreibtisch, wo er über die Papierstapel und Bücher spazierte, um sich dann auf ihrer Tastatur häuslich einzurichten.
Und jetzt vermisste sie ihn.
Es war wirklich beängstigend, wie sehr sie sich um ihn sorgte. Wenn sie sich nicht gerade in den fürchterlichsten Farben ausmalte, was ihm alles passiert sein könnte, fühlte sie sich einsam und verlassen und war sogar wütend auf ihn, weil er nicht zurückkam. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie sehr sie an diesem nutzlosen Tier hing. Ohne ihn erschien ihr das Haus leer.
Sie konnte sich auf nichts konzentrieren, und mit dem Buch kam sie kein Stück voran. Wenn sie nicht an Midnight dachte, grübelte sie über die Anrufe und den Säureanschlag nach und zerbrach sich den Kopf, wer dahinter stecken mochte. Ihre schriftstellerische Laufbahn hatte mit einer Kolumne über liebeskranke Jugendliche in der High School-Zeitung begonnen, weil sie sich schon immer für Menschen interessiert hatte. Und die Angewohnheit, das Verhalten und den Hintergrund der Menschen, denen sie begegnete, zu analysieren, hatte sie sich bis heute erhalten. Was es noch frustrierender machte, dass sie jetzt keinen Grund für das fand, was ihr selbst passierte.
Sie verbrachte viel Zeit auf der hinteren Galerie von Mulberry Point, wo sie an einem schmiedeeisernen Tisch saß und auf den See jenseits des Rasens hinausschaute. Es schien, als ob jeder, an dem ihr etwas lag, sie verließ. Ihr Vater, der es vorgezogen hatte, sich in der örtlichen Kneipe zu betrinken, statt bei seiner Familie zu sein, und dann ihre Mutter und sich selbst mit einer Kugel ins Jenseits befördert hatte. Ihre Großmutter, die ihrem Krebs erlegen war, als sie noch auf dem College war. Luke war aus ihren Armen zu einem anderen Mädchen gegangen, das später in den Flammen seines brennenden Autos umgekommen war.
Gewiss, dass Martin und sie sich getrennt hatten, war ihre Entscheidung gewesen; aber er war ihr auch nie wirklich nah gewesen. Neben ihrem egozentrischen Ehemann dahinzuleben war fast so gewesen wie allein zu sein.
Tod und Einsamkeit schienen ihr überallhin zu folgen. Dieser Gedanke war erschreckend, aber nicht neu. Er verfolgte sie seit Jahren, schon bevor sie Turn-Coupe verlassen hatte. Und nachdem sie zurückgekehrt war, war er nicht stärker geworden; das schien ihr nur manchmal wegen der ständigen Erinnerungen an die Vergangenheit so.
Nicht dass sie Midnight aufgegeben hätte, natürlich nicht. Er würde früher oder später zu ihr zurückkommen. Er musste zu ihr zurückkommen.
Sie dachte oft an das Wochenende in New Orleans zurück und ließ jeden einzelnen Vorfall immer wieder vor ihrem geistigen Auge Revue passieren. Der letzte, als Luke Martin Paroli geboten hatte, ließ sie nicht los, weil er sie in allem bestätigt hatte, was sie über ihren Ex dachte. Im Vergleich zu Luke wirkte Martin oberflächlich, er sah zwar gut aus, aber innen war er hohl. Sein Lächeln war gekünstelt, und sein gewinnendes Verhalten war nur aufgesetzt und berechnend im Vergleich zum natürlichen Charme eines Menschen, der aus sich herausgehen konnte. Der Kontrast zwischen den beiden Männern hatte sie so sprachlos gemacht, dass sie kaum mitbekommen hatte, was sie gesagt hatten.
Bis auf den Schluss natürlich. Als Luke indirekt behauptet hatte, dass sie ihm in überschäumender Leidenschaft das Hemd zerrissen hätte. Als ob sie sich so wenig unter Kontrolle hätte, dass sie so etwas tun würde. Obwohl Martins Gesichtsausdruck einfach zu köstlich gewesen war. Bei der Erinnerung daran musste sie unwillkürlich ein bisschen grinsen – nicht dass sie Luke verziehen hätte oder auch nur im Entferntesten die
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