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Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"

Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"

Titel: Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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ihr Platz, hielten Abstand, als ob sie Angst hätten, sie könnten auf ihre Röcke treten und sie schmutzig machen. Ihre Gesichtszüge wurden weicher, und sie neigten dazu, sie von oben bis unten anzuschauen, während sich auf ihren Gesichtern ein Ausdruck spiegelte, der zwischen Bewunderung und Verblüffung schwankte. Sie bekam einen Sitzplatz angeboten, oder man riss ihr die Türen auf, und es schien ihr verboten, irgendetwas höher als auf Rocksaumhöhe zu heben. Ihre Hilflosigkeit in praktischen Dingen, so ärgerlich diese gelegentlich auch sein mochte, schien in diesen Augenblicken die ritterliche Seite der Männer zum Vorschein zu bringen. Bei solchen Gelegenheiten hatte sie schon mehr als einmal gedacht, dass die Frauen des 19. Jahrhunderts etwas gehabt haben könnten, was den Frauen von heute fehlte.
    Als sie den Kai in der Nähe des Bootshafens erreichte, drängte sich am Fluss bereits eine Menschenmenge. Die Sonne schien heiß und grell, obwohl eine leichte Brise vom Wasser die Hitze ein bisschen milderte. Auf dem Asphaltstreifen, der an den Fluss grenzte, standen zwei Hilfssheriffs und wiesen die Autos ein, aus denen Gelächter und laute Musik schallte. Viele ältere Paare hatten sich Liegestühle mitgebracht und es sich, einen kalten Drink in der Hand und Sonnenhüte über dick eingecremten Gesichtern, auf den Ladeflächen ihrer Pick-ups bequem gemacht. Alle hatten sie prächtige Laune.
    An der Anlegestelle lagen eine Reihe von Hausbooten, angefangen von uralten Kästen bis hin zu solchen, die man als Yachten bezeichnen konnte. Die meisten kannte April von ihren gelegentlichen Ausflügen in den nahe gelegenen River Park, aber eins davon, das ins Auge stach, war neu hinzugekommen. Es war ein schlankes, mit einer blauen Leiste verziertes weißes, hochseetaugliches Schiff mit einer Kommandobrücke, viel Glas und von verchromten Relings umgebenen Decks, auf denen unter bunt gestreiften Sonnenschirmen Tische standen. Noch bevor sie Lukes Cousine Betsy im Heck entdeckte, war sie sich fast sicher, dass dies das Partyschiff war.
    April kam auf ihrem Weg zum Dock nur langsam voran. Sie wurde immer wieder von Fragen über ihre Bücher aufgehalten, man wollte wissen, was sie als Nächstes veröffentlichen werde und ob sie mit ihrer Arbeit Fortschritte mache. Daneben wurde sie immer wieder gefragt, wie ihr das Leben am See gefiele, was die unweigerliche Bemerkung nach sich zu zog, wie froh man sei, dass jemand, der von hier stammte, Mulberry Point gekauft hätte, und wie man sich freute, dass sie wieder nach Turn-Coupe zurückgekommen sei. Sie freute sich über die Sympathie, die ihr von allen Seiten entgegenschlug, wobei ihr allerdings auch klar wurde, wie zurückgezogen sie lebte, da sie in dem Jahr seit ihrer Rückkehr nur wenige der Leute, die sie jetzt ansprachen, getroffen hatte.
    In dem Moment, in dem sie ihren Fuß auf das Schiff setzte, erspähte Betsy sie und winkte sie zu sich heran. „Das ist sie, unsere örtliche Berühmtheit!“ verkündete sie den Leuten an den Tischen stolz. „April hat schon … wie viele Bücher sind es mittlerweile, Honey? Neunzehn? Zwanzig?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, stellte sie April einem Bundessenator aus Baton Rouge samt Ehefrau, einer Ärztin, und deren halbwüchsiger Tochter vor, dann einem Ingenieursehepaar sowie ihren Gastgebern, bei denen es sich ebenfalls um ein Ehepaar handelte. Die Ärztin forderte April auf, Platz zu nehmen, während ihr der Bootsbesitzer ein Glas Champagner in die Hand drückte, und innerhalb von Sekunden war April Teil der Gruppe.
    Es war ein interessanter Haufen, wo jeder sowohl eine entschiedene Meinung hatte wie auch eine witzige Art, diese kundzutun. Es war offensichtlich, dass sie sich schon länger kannten, und April merkte bald, dass sie alle, mit Ausnahme von Betsy, zusammen hergekommen waren. Sie fand es angenehm, sich zurückzulehnen und einfach nur zuzuhören, während die leichte Brise, die vom Fluss herüberwehte, mit ihren Haaren spielte, und zu beobachten, wie die glitzernden Sonnenstrahlen auf der leicht gekräuselten Oberfläche des Wassers tanzten.
    Als sie spürte, wie nach und nach alle Anspannung von ihr abfiel, seufzte sie unbewusst auf. Mit fast schuldbewusstem Vergnügen wurde ihr klar, dass sie nichts zu tun hatte und dass es auch nichts gab, was sie tun musste, außer einfach nur hier zu sitzen und das leichte Schaukeln des Boots zu genießen. Dasselbe Gefühl hatte sie in New Orleans auch schon beschlichen.

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