Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"
das?“
„Du weißt ganz genau …“ Sie unterbrach sich und holte tief Atem. „Auf jeden Fall hast du vor ein paar Minuten noch gesagt, dass Sex nicht der Grund ist, aus dem du mich hierher gebracht hast.“
„Und was ist, wenn ich gelogen habe? Würdest du dich dann damit abfinden?“ In seinen Augen war ein Glitzern.
Ihr Herz begann schneller zu schlagen. Sie wusste nicht, was sie antworten sollte, selbst wenn er es ernst meinte, was aber keineswegs sicher war. Stattdessen fragte sie: „Wäre es nicht einfacher, wenn du schlicht sagst, dass du es dir anders überlegt hast?“
„Kann sein. Aber wo bleibt der Spaß dabei?“
„Es macht nicht immer alles Spaß“, gab sie verärgert zurück.
„Nein“, sagte er und lächelte sie an. „Aber Liebemachen funktioniert auf diese Weise viel besser.“
Da! Jetzt war sie schon wieder in eine verbale Falle getappt. „Du musst es ja wissen!“ sagte sie verärgert.
„Du auch. Oder hast du diese Erfahrung nicht gemacht?“
„Vielen Dank, aber meine Erfahrungen tun hier wirklich nichts zur Sache.“ Sie stellte ihren Wein ab und griff nach ihrer Gabel.
„Es wäre schön, wenn es so wäre, aber du hast sie nun mal, egal ob uns das passt oder nicht. Ob gut oder schlecht, seine Vergangenheit nimmt jeder mit ins Bett.“
„Sehr scharfsinnig, Luke Benedict. Aber wir gehen nicht ins Bett.“
„Zu schade“, sagte er und prostete ihr zu.
Statt einer Antwort schnitt sie sich ein Stück Omelett ab, spießte es auf die Gabel und schob es sich in den Mund. Es schmeckte gut, aber etwas anderes hatte sie auch gar nicht erwartet, weil Luke fast alles, was er machte, gut machte. Sie fragte sich, ob es bei der Liebe genauso war. Ob er in diesem Punkt im Lauf der Jahre auch etwas gelernt hatte. Und was. Als ob es eine Rolle spielte.
Seltsamerweise war sie sich nicht sicher, ob sie darüber, dass er ihre Entscheidung akzeptiert hatte, erleichtert oder enttäuscht sein sollte. Sie wusste, dass sie durcheinander war. Wenn sie ihm seine Behauptung, dass er sie in Sicherheit bringen wollte, abnahm, musste sie davon ausgehen, dass es ihm um mehr ging als nur um eine kleine Dankesgeste ihrerseits. Worauf war er aus, wenn nicht auf eine oder zwei leidenschaftliche Nächte als Entschädigung?
Auf Geld ganz bestimmt nicht. Dass er so schäbig war, konnte sie sich nicht vorstellen. Davon abgesehen, arbeitete er hart auf seiner Farm und hatte nie auch nur das geringste Interesse an Geld gezeigt; er war ein Mensch, der sich mit einem Minimum an Komfort zufrieden gab. Er war körperlich fit und gesund und wies keinerlei Symptome auf, die auf einen regelmäßigen Drogenkonsum, der seine finanziellen Mittel überstieg, schließen ließen. Was um alles in der Welt wollte er dann?
Und zärtlichere Motive konnte sie ihm nicht unterstellen. Er hatte sich vor Jahren körperlich von ihr angezogen gefühlt, aber das war auch schon alles. Wenn da mehr gewesen wäre, hätte er in jener Nacht nicht Mary Ellen in sein Auto eingeladen. Aber vielleicht hatte er ja um der alten Zeiten willen immer noch ein Interesse an ihr, weil sie Freunde gewesen waren, bevor sie ein Liebespaar geworden waren. Das und Wichtigtuerei waren wahrscheinlich die Gründe dafür gewesen, dass er an dem Morgen nach diesem Telefoninterview bei ihr aufgetaucht war. Und falls da noch mehr war, wusste sie es jedenfalls nicht.
Sie hatte keine Ahnung, was er von ihr wollte, aber was immer es auch sein mochte, er würde es nicht bekommen. Sie würde sich nicht zu irgendetwas drängen lassen, was sie nicht wollte. Sie war eine erwachsene, intelligente Frau, die die Gefahren, in die sie sich begab oder auch nicht, sehr gut abschätzen konnte. Sie brauchte Luke Benedicts Einmischungen nicht.
Sie überlegte, dass sie zynisch und vielleicht unfair war. Aber wenn es so war, dann war es allein seine Schuld, dass es mit ihr so weit gekommen war. Zumindest hatte er den Prozess in Gang gesetzt. Weil er sich nie herabgelassen hatte, ihr irgendetwas zu erklären, hatte sie seine Handlungen als das genommen, was sie zu sein schienen. Und wenn sie ihm dabei Unrecht getan hatte, war es seine eigene Schuld.
Sie beendeten ihre Mahlzeit schweigend. Als Luke nach ihren Tellern griff und sie in die Kabine trug, stand April auf, um ihm zu helfen. Aber die winzige Einbauküche war nicht für zwei Personen gemacht. Als sie ihren Becher auf die Spüle stellte, trat er hinter sie, um die Butter im Kühlschrank zu deponieren. Dabei streifte er
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