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Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"

Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"

Titel: Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann" Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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wirklich still. Aus dem Sumpf, der sie einschloss, ertönte ein veritables Nachtkonzert. Insekten summten und zirpten. Ochsenfrösche quakten aus verschiedenen Himmelsrichtungen wie egozentrische, konkurrierende Operntenöre um die Wette. Irgendwo in der Ferne schrie ein Alligator sein Bedürfnis nach Paarung heraus.
    Als irgendwann ein schrilles Kreischen in den Chor einfiel, hob April den Kopf. Ohne von seiner Zeitschrift aufzuschauen, identifizierte Luke die Quelle mit einem einzigen, lakonischen Wort: „Kranich.“
    Dass er ihr überraschtes Interesse registriert hatte, war ein Anzeichen dafür, wie sehr er mit ihren Bewegungen in Einklang stand. Dieses Wissen half ihr nicht bei ihren Gefühlen.
    Als sie kurze Zeit später wieder in seine Richtung schaute, sah sie, dass er auf ihre Knie starrte. Sie warf selbst mit gerunzelter Stirn einen Blick darauf, bevor sie sagte: „Was ist?“
    „Du solltest etwas auf diese Kratzer tun. Oder ich könnte es für dich machen.“
    „Schon passiert. Ich habe vorhin beim Umziehen Wundsalbe im Bad entdeckt. Aber die Schürfwunde in deinem Gesicht …“
    „Ich habe heute Mittag nach dem Duschen schon was draufgetan.“
    Wie autonom wir doch sind, schoss es ihr durch den Kopf. Was unter den gegebenen Umständen nur gut war. April nickte und wandte sich wieder ihrer Lektüre zu.
    Dass Luke noch nicht müde war, mochte daran liegen, dass er am Nachmittag geschlafen hatte, oder aber er war eine Nachteule und daran gewöhnt, spät ins Bett zu gehen. Was immer es auch sein mochte, auf jeden Fall wurde bald klar, dass sie ihn nicht aussitzen würde. Ihre Augen brannten, und das Kissen, an dem sie lehnte, hatte etwas verlockend Weiches. Schließlich gab sie auf und klappte ihr Buch zu. Ein Gähnen unterdrückend, sagte sie: „Ich glaube, ich schlafe jetzt.“
    „Ja, sicher.“ Luke stand in einer einzigen fließenden Bewegung vom Bett auf. Er ging zu der Glastür, schob das Fliegengitter zurück und verschwand auf das dunkle Vorderdeck. Kurz bevor er das Fliegengitter wieder zuschob, sagte er leise gute Nacht.
    April antwortete ebenso leise, obwohl sich zwischen ihren Brauen eine Falte bildete. Sie war drin, und er war draußen. Jetzt war zwischen ihr und dem Dinghi nichts mehr außer der Fliegengittertür. Luke würde bald schlafen. Irgendwie erschien es alles zu einfach.
    Das schaukelnde Boot übertrieb Lukes Bewegungen, als er aus dem Stauraum unter der Bank einen zusammengerollten Schlafsack und ein Laken herausholte, beides ausschüttelte und dann über die Bank breitete. April, die ihn durch das Fliegengitter beobachtete, erkannte, dass sie sich mit äußerster Vorsicht bewegen musste, wenn ihre Zeit gekommen war. Sie wurde abrupt aus ihren Überlegungen gerissen, als sie sah, wie sich seine Hände auf seinen Hosenbund legten. Das Ratschen des Reißverschlusses klang wie eine Kreissäge in ihren Ohren. Es war ein reiner Reflex, dass sie die Hand ausstreckte und die Lampe über ihrem Kopf ausmachte.
    Aber er war immer noch als Silhouette sichtbar, eingerahmt von der glänzenden Wasseroberfläche des Sees, auf der sich die Sterne spiegelten. Ich sollte wegschauen, dachte sie, während sich ihre Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnten. Stattdessen beobachtete sie eingehend, wie er seine Jeans abstreifte, dann zog er sich das T-Shirt über den Kopf.
    Er verharrte einen Moment in der Bewegung, bevor er das T-Shirt umdrehte. Das silbrige Licht der Nacht modellierte die Muskelstränge auf seinem Rücken und seinen Beinen und ließ sie im Kontrast zu seiner bronzebraunen Haut und dem Weiß seines Slips hervortreten. Es spielte in seinem Haar und warf hier und da interessante Schatten. Ein seltsames Gefühl, halb Bewunderung, wie man sie für ein Kunstwerk empfindet, halb Sehnen, stieg in ihr auf. Luke war wirklich ein beeindruckender Mann. Wenn nur sein Charakter mit seinem Aussehen mithielte, wie leicht wäre es, sich in ihn …
    Nein, so etwas wollte sie nicht denken, sie durfte es nicht, ihrem Seelenfrieden zuliebe. Es führte zu nichts, da er einfach nicht integer und es unwahrscheinlich war, dass er sich in seinem Alter noch änderte. April drehte sich auf die Seite und schloss die Augen und blieb so, bis es vorn auf dem Boot absolut still war.
    Anderthalb Stunden, vielleicht auch mehr, vergingen im Schneckentempo. Um sich wach zu halten, ging April in Gedanken die letzte Szene in ihrem Buch noch einmal durch und erwog verschiedene Hinzufügungen und eventuelle Streichungen.

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