Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"
Nachdem sie alle Möglichkeiten ausgeschöpft hatte, begann sie die nächste Szene zu planen. Sie hatte bereits ein ganzes Kapitel und einen Teil des folgenden in Gedanken skizziert, als sie endlich jenseits des Fliegengitters ein leises Geräusch hörte, das eine Mischung zwischen tiefem Atmen und Schnarchen war. Sie hob den Kopf und wartete, bis es sich wiederholte.
Eingeschlafen, endlich. Dem Himmel sei Dank.
Sie richtete sich auf und schwang ihre Beine über die Bettkante. Lukes Körper war ein schattenhafter Umriss unter dem Laken, das ihn vor Mückenstichen schützte. Ohne ihn aus den Augen zu lassen stand sie auf und bewegte sich Schritt für Schritt rückwärts auf den hinteren Teil der Kabine zu.
Als sie die Fliegengittertür in ihrem Rücken spürte, drehte sie sich um. Dabei streifte sie den feinen Maschendraht, was ein leises Geräusch verursachte. Lukes Atmung veränderte sich. Er drehte sich vom Rücken auf die Seite, aber er setzte sich nicht auf. Obwohl sie eine halbe Ewigkeit wartete, dass sein Schnarchen wieder einsetzte, tat sich nichts.
Sie konnte nicht ewig warten. Mit einem stummen Fluch schob sie das Fliegengitter Millimeter für Millimeter zurück, wobei sie bei dem leisesten Geräusch zusammenzuckte. Als es weit genug offen war, schaute sie erneut auf Luke. Er hatte sich nicht bewegt. Sie schlüpfte durch den Spalt und ließ ihn hinter sich offen, weil es ihr zu nervenaufreibend erschien, ihn wieder zu schließen.
Das Aluminiumdinghi schaukelte lautlos am Ende seines Taus im Wasser, das schwarz und trüb wirkte wie halb erstarrter Schlamm. April trat an die Reling und kletterte darüber, weil sie es nicht riskieren wollte, das Gatter zu öffnen. Dann kraxelte sie die Schwimmleiter hinunter, zog das Boot an dem Tau zu sich heran und ließ sich vorsichtig hinunter. Es war ein schwieriger Balanceakt, in der Dunkelheit von einem Boot in das andere zu kommen, ohne dass das Pontonboot schaukelte, aber sie schaffte es mit einer schnellen kontrollierten Bewegung. Sie riss den Laufknoten ab, mit dem das Dinghi befestigt war, stieß sich vom Pontonboot ab und setzte sich schnell auf den vorderen Sitz.
Sie hatte es geschafft. Sie war frei. Ein Triumphgefühl stieg in ihr auf, aber sie hatte keine Zeit, es zu genießen. In gebückter Haltung bewegte sie sich zum mittleren Sitz und tastete auf dem Boden nach dem Paddel, das sie vorhin gesehen hatte. Sie bekam es zu fassen, dann beugte sie sich über den Bootsrand, um es ins Wasser zu tauchen.
In diesem Augenblick teilte sich jäh die Wasseroberfläche. Aus den schwarzen Tiefen schoss etwas Nasses, Monströses hervor. Es bäumte sich auf, wobei glitzernde Wassertropfen in alle Himmelsrichtungen spitzten, und brachte das Paddel in seinen Besitz. Es zog, und April fiel nach vorn. Sie stieß einen atemlosen Schrei aus, als sie ins Wasser stürzte.
Ihre Schulter krachte gegen etwas Glitschiges, aber es war warm und fest. Harte Bänder umfingen sie und schnürten sie ein. Sie schnappte nach Luft, versuchte zu schreien. Dann wurde sie nach unten in die schwarzen Tiefen des Sees gezerrt.
13. KAPITEL
L ange Beine umschlangen April. Sie wurde mit dem ganzen Körper gegen eine harte Gestalt gepresst. Eine vertraute Gestalt, die sie erst kürzlich gespürt hatte.
Luke. Es war Luke.
In Aprils Kopf explodierte Wut. Sie wehrte sich aus Leibeskräften und stieß wild mit den Füßen um sich. Der Mann, der sie festhielt, versuchte so gut es ging auszuweichen. Dann stieß er sich mit den Füßen ab, um nach oben zu schwimmen, wobei er sie immer noch umklammert hielt. Spritzend und prustend durchbrachen sie die Wasseroberfläche. April schaffte es, sich so weit aus Lukes Umklammerung zu befreien, dass sie die Seite des Dinghis zu fassen bekam. Sie hielt sich fest, prustete und spuckte und wischte sich tropfnasse Haarsträhnen aus den Augen. Dann drehte sie sich zu Luke um.
Er sah aus wie ein Wassergott, nass, glänzend, nackt von der Taille aufwärts und mit einer kleinen Wasserlilienblüte hinter einem Ohr und einer größeren auf seiner Schulter. Kraftvoll, allmächtig, faszinierend in seiner perfekten Verschmelzung mit dem nassen Element; er hatte kein Recht, dermaßen entspannt zu wirken oder sie so anzugrinsen, dass seine strahlend weißen Zähne aufblitzten.
„Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?“ fauchte sie ihn an. „Du hättest mich fast ertränkt.“
„Nicht annähernd, obwohl ich gestehen muss, dass ich daran gedacht habe“, gab er
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