Benedict-Clan "Der Mitternachtsmann"
wusste es nicht, aber irgendetwas an ihm beunruhigte sie. Sie fühlte etwas für ihn, was sie noch nie für einen anderen Mann empfunden hatte und nie empfinden würde. So war es schon vor Jahren gewesen, und so war es immer noch.
Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen und fragte: „Das ist es also? Hast du mich deshalb hierher gebracht?“
Sein Zögern war so kurz, dass sie es fast übersehen hätte. „Kann sein. Vielleicht.“
„Du willst mich immer noch verführen.“
„Ich will von dir, was du mir geben kannst“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Und wie es mit uns weitergeht, hängt vielleicht auch damit zusammen, was ich dir geben kann.“
„Dafür hättest du nicht diesen Aufwand treiben müssen.“ Klammerte sie sich an einen Strohhalm, indem sie dies sagte? Sie wusste es nicht, sie konnte keinen zusammenhängenden Gedanken mehr fassen, weil er ihre Brust streichelte und sanft mit der Handfläche umschloss. Sein harter Körper, der sich von hinten gegen ihren presste, war ein schlagendes Argument, sich zu ergeben. Es war so lange her, seit ein Mann sie umarmt hatte. So lang.
„Was ist?“ fragte er weich, und sein Atem streichelte ihre Haut.
Sie antwortete nicht, sie fand keine Worte. Sie konnte gegen ihn ankämpfen, aber ihre eigenen Bedürfnisse und Impulse waren mächtigere Gegner. Davon abgesehen hatte er an ihre blühende Fantasie appelliert, gegen die sie keine Chance hatte, und sie war sich nicht einmal sicher, ob sie eine haben wollte.
Sie bog den Kopf zurück und lehnte ihn gegen seine Schulter. Er umfasste ihr Kinn und hob es leicht an, so dass sie ihm in seine weit geöffneten Augen schauen konnte. Sie sahen sich einen langen Moment an, dann senkte sie in unwillkürlicher Abwehr den Blick. Ihre Aufmerksamkeit blieb an seinem schön geformten Mund hängen, bis er den Kopf senkte, dann schloss sie die Augen.
Sein Mund war warm und süß und schmeckte schwach nach Wein. April gewährte seiner Zunge mit Anmut und Hunger Zutritt zu ihrem, und er war weder zu aufdringlich noch zu fordernd. Sie hatten alle Zeit der Welt, und etwas in seinem Verhalten, seinen Berührungen und seinem Geschmack sagte ihr, dass er vorhatte, sie gut zu nutzen. Er war kein wilder Halbwüchsiger mehr, der sich nicht bremsen konnte. Er hatte es gelernt, sich zu beherrschen und verstand es, die bebende Vorfreude voll auszureizen.
Dennoch schlugen ihre Herzen bei jeder Zärtlichkeit schneller, bei jedem langsam freigelegten Quadratzentimeter Haut und jeder weiteren wagemutigen Erkundung. Zügellos oder zurückhaltend, je nachdem, was die Situation erforderte, loteten sie die Grenzen des Vertrauens und Ertragens aus. Ihre schweißnassen Körper glänzten im Licht, in der feuchten Hitze erschauernd, als sie sich bei einem gemeinsamen Höhepunkt aufbäumten, der so perfekt war, dass sie sich sogar im Taumel ihrer Lust noch wunderten.
Er war ihr Piratenkönig, verwegen in seinen Forderungen, mit rauen Ecken und Kanten. Oder vielleicht auch ihr Wassergott, Neptun, der in seiner ganzen Pracht und Herrlichkeit aus den Tiefen des Wassers aufgestiegen war, um ihren Geist und ihren Körper mit Beschlag zu belegen. Und gleichzeitig war er immer noch Luke, der Geliebte ihrer Jugendjahre, wild und erregend und missverstanden, mit einer Zärtlichkeit, die hinter seinem träge provozierenden Naturell hervorlugte, voller Schmerz, in dem sich eine existenzielle Verzweiflung spiegelte.
Nichts spielte mehr eine Rolle, nichts konnte die köstliche Entfaltung ihrer gemeinsamen Lust beeinträchtigen. Nichts beschädigte Aprils bis ins Äußerste gesteigerte Wachsamkeit des Erlebens. Innig, zärtlich, gewalttätig und doch ohne zu verletzen, hielten sie einander, hielten sie die Vergangenheit und die Zukunft und die Herrlichkeit, die das alles einzigartig machte. Bis das Wunder in ihren Köpfen und Herzen mit jener stummen Pracht erblühte, die für einen einzigen kurzen Moment die Antwort auf das größte Rätsel des Lebens enthüllte.
Anschließend lagen sie völlig erschöpft und ausgepumpt in inniger Umarmung nackt da und warteten darauf, dass sich ihre Atmung verlangsamte. Sie schliefen mit der leichten Brise, die vom See hereinkam und ihre Haut und diesen kurzen Fieberschub ihrer Herzen kühlte, ein. Aber irgendwann in der Nacht wachten sie lange genug auf, um sich zu trennen und sich schützend mit einem Laken zuzudecken.
„Wo zum Teufel steckt April?“
Die Frage, in der ein stählerner Unterton mitschwang, drang
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