Benedikt XVI
Papst
nur ein Erster im Miteinander sein kann, und nicht jemand, der als absoluter
Monarch einsame Entscheidungen treffen und alles selber machen würde.
Der heilige Bernhard von Clairvaux
hat im 12. Jahrhundert auf Bitten von Papst Eugen III. eine Gewissenserforschung
mit dem Titel "Was ein Papst erwägen muss" verfasst. Bernhard hatte
eine herzliche Abneigung gegen die römische Kurie und legte dem Papst vor
allem Wachsamkeit ans Herz. Im Trubel der Geschäfte müsse er Abstand finden,
Übersicht behalten und entschlussfähig bleiben gegenüber den Missbräuchen, die
speziell einen Papst umgeben. Er fürchte vor allem, schreibt Bernhard, "dass
du, von Beschäftigungen umringt, deren Zahl nur ansteigt und deren Ende du
nicht absiehst, dein Antlitz verhärtest."
Können Sie
diese "Erwägungen" inzwischen aus eigener Erfahrung nachvollziehen?
Die "Konsideration" des
heiligen Bernhard ist natürlich eine Pflichtlektüre für jeden Papst. Da stehen
auch große Dinge drin, wie zum Beispiel: "Erinnere dich daran, dass du
nicht der Nachfolger von Kaiser Konstantin, sondern der Nachfolger eines
Fischers bist."
Der Grundton
ist der, den Sie angedeutet haben: Nicht im Aktivismus aufgehen! Es gäbe so
viel zu tun, dass man ununterbrochen werkeln könnte. Und das genau ist falsch.
Nicht im Aktivismus aufgehen bedeutet, die consideratio, die Umsicht, den Tiefblick, die Schau, die Zeit des inneren Abwägens,
Sehens und Umgehens mit den Dingen, mit Gott und über Gott zu behalten. Dass
man nicht meint, man müsste ununterbrochen arbeiten, ist an sich für jedermann
wichtig, etwa auch für jeden Manager, und umso mehr für einen Papst. Er muss
vieles anderen überlassen, um den inneren Überblick, die innere Sammlung zu
behalten, aus der dann die Sicht aufs Wesentliche kommen kann.
Man hat allerdings schon den
Eindruck, Papst Benedikt arbeitet ununterbrochen, er gönnt sich keine Pause.
Nein, also ...
Sie sind einer der eifrigsten,
vielleicht sogar der eifrigste Arbeiter unter den Päpsten.
Aber dazu gehört immer auch die
Besinnung, das Lesen der Heiligen Schrift, das Überlegen, was sie mir sagt. Man
darf nicht einfach nur Akten abarbeiten. Ich lese auch da, so viel ich kann.
Aber mir steht sehr der Aufruf des heiligen Bernhard vor Augen, dass man sich
nicht im Aktivismus verlieren darf.
Paul VI. schrieb am Abend seiner
Wahl zum Papst in sein Tagebuch: "Ich befinde mich in den päpstlichen Gemächern. Ein tiefer Eindruck von Unbehagen und
Zuversicht gleichzeitig ... Dann ist es Nacht, Gebet und Stille, nein, das ist
keine Stille, die Welt beobachtet und überfällt mich. Ich muss lernen, sie
wirklich zu lieben, die Kirche so wie sie ist, die Welt so wie sie ist."
Hatten
Sie, ähnlich wie Paul VI., am Anfang auch ein wenig Angst vor den
Menschenmassen, denen Sie nun gegenübertreten mussten? Paul VI. hatte sogar
überlegt, das Angelusgebet vom Fenster des Apostolischen Palastes wieder einzustellen.
Er schrieb: " Was ist dieses Bedürfnis, einen Menschen sehen zu wollen? Wir
sind zum Schauspiel geworden."
Ja, die Empfindungen von Paul VI.
verstehe ich sehr gut. Die Frage lautet: Ist es eigentlich richtig, dass man
sich immer wieder so der Menge darbietet und sich wie ein Star anschauen lässt?
Andererseits haben die Menschen das starke Verlangen, den Papst zu sehen. Da
geht es dann gar nicht so sehr um den Kontakt mit der Person, sondern um die
physische Berührung mit diesem Amt, mit dem Vertreter des Heiligen, mit dem
Geheimnis, dass es einen Nachfolger Petri und einen gibt, der für Christus
stehen muss. In diesem Sinne muss man es dann annehmen und den Jubel nicht als
persönliches Kompliment auf sich selbst beziehen.
Haben Sie Angst vor einem
Attentat?
Nein.
Die katholische Kirche ist der
erste und größte Global Player der Weltgeschichte. Aber sie ist bekanntlich
kein Unternehmen und der Papst kein Konzernchef. Was ist anders als bei der
Leitung eines multinationalen Geschäftsimperiums?
Nun, wir sind keine
Produktionsstätte, wir sind kein nach Gewinn strebendes Unternehmen, wir sind
Kirche. Das heißt eine Gemeinschaft von Menschen, die im Glauben steht. Die
Aufgabe ist nicht, irgendwie ein Produkt herzustellen oder Erfolg im Vertrieb
von Waren zu haben. Die Aufgabe ist stattdessen, den Glauben vorzuleben, ihn
zu verkündigen, und zugleich diese Freiwilligengemeinschaft, die alle
Kulturen, Nationen und Zeiten überbrückt und die nicht auf äußeren
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