Benedikt XVI
wo Unnützes mitgeschleppt wird - und andererseits in Erfahrung
zu bringen, wie es uns besser gelingen kann, das Wesentliche zu tun, so dass
wir das Wort Gottes wirklich hören, leben und in dieser Zeit verkünden können.
Das Paulus
jähr und das Priester jähr waren zwei Versuche, in diesem Sinne Impulse zu
geben. Auf die Gestalt des Paulus aufmerksam zu machen, das bedeutet, das
Evangelium in seiner ursprünglichen Vitalität, Einfachheit und Radikalität vor
uns hinzustellen, es wieder gegenwärtig zu halten. Das Priesterjahr sollte
gerade in der Zeit, in der das Weihesakrament so beschmutzt dasteht, auch
wieder den unverwechselbaren, einzigartigen Auftrag dieses Amtes in seiner
Schönheit darstellen, trotz aller Leiden, trotz alles Schrecklichen. Wir müssen
versuchen, die Demut und die Größe miteinander zu verbinden, um damit dem
Priester auch wieder Mut zu machen und Freude am Priestertum zu geben.
Auch die
Synoden dienen diesem Weg, beispielsweise die Synode über das Wort Gottes.
Schon der Austausch darüber war sehr wichtig. Heute geht es darum, die großen
Themen hinzustellen und zugleich - wie mit der Caritas-Enzyklika "Gott
ist die Liebe" - die Mitte des Christseins und damit auch die Einfachheit
des Christseins wieder sichtbar zu machen.
Eines Ihrer großen Themen ist der
Brückenschlag zwischen Religion und Rationalität. Warum gehören Glaube und
Vernunft zusammen? Könnte man nicht auch einfach "nur" glauben? Jesus
sagt: "Selig sind, die nicht sehen und doch glauben."
Nicht sehen ist die eine Sache,
aber auch der Glaube des nicht Sehenden muss seine Gründe haben. Jesus selbst
hat den Glauben durchaus verständlich gemacht, indem er ihn mit der inneren Einheit
und in der Kontinuität mit dem Alten Testament, mit den ganzen Führungen Gottes
dargestellt hat: als den Glauben an den Gott, der der Schöpfer und der Herr der
Geschichte ist, für den die Geschichte zeugt und von dem die Schöpfung spricht.
Es ist interessant,
dass diese wesentliche Rationalität schon im Alten Testament zum Grundbestand
des Glaubens gehört; dass dann insbesondere in der Zeit des Babylonischen
Exils gesagt wird: "Unser Gott ist nicht irgendeiner von den vielen, er
ist der Schöpfer, der Gott des Himmels, der einzige Gott." Damit wird ein
Anspruch erhoben, dessen Universalität gerade auch auf seiner Vernünftigkeit
beruht. Dieser Kern wurde später der Begegnungspunkt zwischen Altem Testament
und Griechentum. Denn ungefähr in der gleichen Zeit, in der das Babylonische
Exil diesen Zug im Alten Testament besonders heraushebt, entsteht auch die
griechische Philosophie, die nun über die Götter hinaus nach dem einen Gott
fragt.
Es bleibt
der große Auftrag der Kirche, dass sie Glaube und Vernunft, das Hinausschauen
über das Greifbare und zugleich die rationale Verantwortung miteinander
verbindet. Denn die ist uns ja von Gott gegeben. Sie ist das, was den Menschen
auszeichnet.
Was ist nun das spezielle
Charisma, das ein Papst aus Deutschland mitbringt? Die Deutschen waren fast tausend
Jahre lang Träger des Heiligen Römischen Reiches. Das tiefe Schürfen nach
Erkenntnis ist eines der Grundthemen in der deutschen Kulturgeschichte,
verkörpert durch Mystiker wie Meister Eckhart, Universalgelehrte wie Albertus
Magnus, bis hin zu einem Goethe, Kant und Hegel. Deutschland ist freilich auch
das Land der Kirchenspaltung. Die Wiege des wissenschaftlichen Kommunismus, der
das Paradies nicht im Himmel, sondern auf Erden versprach. Und nicht zuletzt
Schauplatz eines wahrhaft diabolischen Regimes, das sich die totale Vernichtung
der Juden, des auserwählten Gottesvolkes, auf die Fahnen schrieb.
Sie haben es ja angedeutet, wir
haben in Deutschland eine vielschichtige, widersprüchliche und dramatische Geschichte.
Eine Geschichte voller Schuld und voller Leid. Aber auch eine Geschichte mit
menschlicher Größe. Eine Geschichte mit Heiligkeit. Eine Geschichte großer
Erkenntniskraft. Insofern gibt es nicht einfach das deutsche
Charisma.
Sie haben darauf
hingewiesen, dass zur deutschen Kulturgeschichte besonders auch die
Nachdenklichkeit gehört. Dieses Element wurde lange Zeit als herausstechend
angesehen. Heute würde man vielleicht eher Talente wie Tatkraft, Energie oder
Durchsetzungsvermögen als typisch deutsch ansehen. Ich denke, Gott wollte,
wenn er schon einen Professor zum Papst machte, dass eben dieses Moment der
Nachdenklichkeit und gerade das Ringen um die Einheit von Glaube und Vernunft
in den
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