Benedikt XVI
Wirkungen. Bei meinem Besuch in der
Türkei konnte ich zeigen, dass ich Ehrfurcht habe vor dem Islam, dass ich ihn
als eine große religiöse Wirklichkeit anerkenne, mit der wir im Gespräch stehen
müssen. Und so ist aus dieser Kontroverse ein wirklich intensiver Dialog
gewachsen.
Es wurde
deutlich, dass der Islam im öffentlichen Dialog zwei Fragen klären muss,
nämlich die Fragen seines Verhältnisses zur Gewalt und zur Vernunft. Dass nun
diese beiden Fragen in den eigenen Reihen als klärungspflichtig und -bedürftig
empfunden wurden und damit auch eine Innenreflexion unter den Gelehrten des
Islam begann, die dann zu einer dialogischen Reflexion wurde, war ein wichtiger
Ansatz.
Die islamische Zeitung "Zaman"
sprach von der "Friedensbotschaft" des Papstes; endlich sei der
Dialog der Religionen wirklich in Gang gekommen. Auch deutsche Blätter wie "Die
Zeit" verneigten sich nach anfänglich barscher Kritik nun vor dem "Weisen
im Morgenland", der "in der islamischen Welt zur wichtigsten
Autorität des Westens wird".
Wir sind damit nun jedenfalls an
einem guten Punkt angekommen. Sie wissen ja, dass 138 islamische Gelehrte
einen Brief geschrieben haben, mit einer ausgesprochenen Einladung zum Dialog
und mit einer Interpretation des Islam, die ihn unmittelbar in das Gespräch mit
dem Christentum führt. Ich hatte hierüber auch mit dem König von Saudi-Arabien
ein sehr gutes Gespräch. Er will sich, wie auch andere islamische
Staatsoberhäupter oder etwa auch die Könige der Golfstaaten, gemeinsam mit den
Christen gegen den terroristischen Missbrauch des Islam stellen.
Wir
wissen, dass wir heute in einem gemeinsamen Ringen stehen. Gemeinsam ist uns,
dass wir einerseits große religiöse Werte verteidigen - den Glauben an Gott und
den Gottesgehorsam -, dass wir andererseits in der Moderne den richtigen Ort
finden müssen. Damit befassen sich auch die Gespräche des Dialogrates. Hier
geht es um Fragen wie: Was heißt Toleranz? Wie stehen Wahrheit und Toleranz
zueinander? Damit hängt dann die Frage zusammen, ob zur Toleranz auch das Recht
des Religionswechsels gehört. Das anzuerkennen fällt den islamischen Partnern
schwer. Wer in der Wahrheit angelangt ist, heißt es hier, kann nicht mehr
zurück.
Jedenfalls
sind wir in ein großräumiges und intensives Dialogverhältnis eingetreten, in
dem wir näher zueinander kommen, einander besser verstehen lernen. Und dadurch
vielleicht auch positiver einen gemeinsamen Beitrag in dieser schwierigen
Stunde der Geschichte leisten können.
Es ist noch nicht so lange her, da
hielten es Päpste freilich noch für ihre Aufgabe, Europa vor einer
Islamisierung zu schützen. Verfolgt der Vatikan hier eine komplett neue
Politik?
Nein. Die historischen Situationen
wechseln. Denken wir nur an die Zeit, in der das Ottomanische Reich an den
Grenzen Europas gerüttelt hat, Europa belagerte und schließlich vor den Toren
Wiens stand. Oder denken wir an die Schlacht von Lepanto 1571. Hier ging es wirklich
darum, ob die Identität Europas erhalten bleibt oder ob Europa zu einer Kolonie
wird. In dieser Situation, in der es gar nicht nur um den Islam, sondern um die
Ausbreitung der ottomanischen Macht ging, musste Europa zusammenstehen und
seine Geschichte, seine Kultur, seinen Glauben verteidigen.
Heute
leben wir in einer völlig anderen Welt, in der die Fronten anders verlaufen. In
der auf der einen Seite der radikale Säkularismus, auf der anderen Seite die
Frage nach Gott steht, in ihrer ganzen Verschiedenheit. Natürlich muss es
weiterhin die Identität der jeweiligen Religion geben. Da können wir uns nicht
ineinander auflösen. Andererseits muss aber auch der Versuch unternommen
werden, einander zu verstehen.
In großen
Teilen Schwarzafrikas besteht seit Langem ein tolerantes und gutes Miteinander
zwischen Islam und Christentum. Wenn ich die Bischöfe aus diesen Ländern
empfange, berichten sie, es sei einfach eine alte Gewohnheit, dass sie
gegenseitig ihre Feste mitfeiern. Anderswo ist das Verhältnis noch immer
geprägt durch Intoleranz und Aggression. Insofern sind die geschichtlichen
Situationen auch heute noch sehr unterschiedlich. Wir müssen jedenfalls
versuchen, einerseits das Große unseres Glaubens zu leben und lebendig
darzustellen, andererseits das Erbe der anderen zu verstehen. Wichtig ist, das
Gemeinsame zu finden und da, wo es geht, in dieser Welt einen gemeinsamen
Dienst zu tun.
Gleichzeitig ist nicht zu
übersehen, dass in Ländern, wo der Islam
Weitere Kostenlose Bücher