Benkau Jennifer
gleich?“
Er probierte, wenn auch mäßig begeistert, und Helenas Blick klebte an seinen Lippen. Die untere war etwas voller als die obere.
„Keine Ahnung.“
„Jetzt erzähl mir nicht, du hättest als Kind kein Ferienprogramm geschaut?“
„Wir hatten keinen Fernseher.“
Nun lag es an Helena, zweifelnd die Brauen hochzuziehen. „Gehörten deine Eltern zu denen, die das TV-Programm als pädagogischen Missbrauch betrachteten?“
„Nein.“
Sein Grinsen wurde breit und schelmisch. Er stand offenbar kurz davor, in lautes Gelächter auszubrechen, was ihn unglaublich jung aussehen ließ. Sie hatte ihn noch gar nicht nach seinem Alter befragt, aber hier und jetzt konnte man ihn durchaus für jünger als sie halten.
„Weißt du, wir waren sehr arm.“
Er narrte sie, aber das war nicht wichtig, daher ignorierte sie es. „Du kannst es ja doch“, freute sie sich. „Schön.“
„Was denn?“
„Lächeln. Ich meine so, dass auch deine Augen lächeln.“
Für einen Moment verschwand ebendieses Lächeln. Sodann legte sich ein neues auf seine Gesichtszüge. Ganz anders, hungrig, aber ebenso ehrlich. Langsam, fast zögerlich machte er einen Schritt auf sie zu und dann einen zweiten. Helena legte den Löffel hinter ihrem Rücken auf die Kante der Arbeitsplatte. Er fiel hinunter. Samuels Finger strichen über ihre Oberarme. Ihre fanden seinen Hals, glitten in seinen Nacken, während er den Kopf neigte. Sie spürte seinen Puls gegen ihren Handballen hämmern. Sein Gesicht näherte sich ihrem, bis sie seine Wärme spürte, obwohl sie sich noch nicht berührten.
„Du bist ein guter Grund zu lächeln“, hauchte er in ihr Ohr.
Seine Wange streifte ihre. Dann seine Lippen. Helena schloss die Augen. Es dauerte eine süße kleine Ewigkeit, bis er sich an ihren Mund herangetastet hatte. Als er sie küsste, entfuhr ihr ein kleiner Seufzer. Samuel war zurückhaltend, und für einen Moment schmeckte sie in seinem Kuss Unsicherheit. Die Hände in sein Haar vergraben, stupste sie mit der Zunge fordernd seine Unterlippe an. Sie spürte ihn hart Luft durch die Nase ausstoßen. Dann schob er sie ein Stück zurück.
„Entschuldige.“
Was gab es da zu entschuldigen? Dass er den Kuss unterbrochen hatte? „Unverzeihlich“, murmelte sie und zog ihn zu sich herab. Ein leiser Laut der Überraschung streifte ihre Lippen. Und endlich, endlich befreite er sich von dem, was ihn gehalten hatte, zog sie an sich und küsste sie richtig. Es war kein stürmischer Kuss, eher ein vorsichtiges Weitertasten, aber er reichte aus, um ihr den Atem versagen zu lassen.
Halb schob sie ihn, halb zog er sie quer durch das Zimmer. Cat ergriff die Flucht und verzog sich mit eingezogenem Schwanz in den Flur. Samuel sank rückwärts aufs Sofa, einen Moment später saß sie auf seinem Schoß. Seine Hand ruhte auf ihrem Rücken, die andere streichelte abwechselnd ihr Haar, ihre Wange und dann hauchfein und kitzelnd ihren Nacken. Seine Berührungen weckten ein sanftes Vibrieren in ihren Knochen, wie das Summen einer Stimmgabel, die erst still gab, wenn sie gehalten wurde. Er sollte sie halten. Am liebsten hätte sie ihm gleich das Hemd vom Leib gerissen, aber sein Gentleman-Verhalten wirkte ansteckend, so ließ sie sich Zeit und berührte seine Schultern und Brust nur durch den Stoff, und malte sich aus, wie sich die Haut darunter anfühlen würde. Sie wusste, wie er aussah – das Bild von seinem regennassen Körper war immerzu präsent – doch sie schob es beiseite. Was auch in dieser Nacht geschehen war, es war nicht hier und nicht jetzt. Nicht real. Vielleicht nur ein besonders intensiver Traum oder eines dieser visionären Phantasmen, von denen sich ihre Mutter wünschte, dass sie endlich zu Helena zurückkehrten. Nicht daran denken, nicht jetzt.
Sie rutschte an ihm hinab, spürte seine Erregung. Er ließ den Kopf in den Nacken sinken, während sie seinen Hals mit Küssen bedeckte. Seine Haut roch köstlich. Ein wenig wie eine Sommernacht im Wald. Kein Parfum, nicht einmal Deodorant oder Aftershave, dafür eine Idee von Rauch.
Wenige Momentaufnahmen verwoben sich zu einem ganzen Abend, denn Zeit verlor ihre Bedeutung. War der Film tatsächlich schon fast an seinem finalen Endkampf angelangt? Mehr als das flackernde Licht, das im Zimmer herumsprang, hatte sie nicht mitbekommen.Helena genoss die Langsamkeit der Berührungen. Jeder andere Mann hätte sie vermutlich längst ausgezogen und ins Schlafzimmer oder schlicht auf den Boden gezerrt.
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