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Benkau Jennifer

Benkau Jennifer

Titel: Benkau Jennifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phoenixfluch
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Körper.
    Bitte. Bitte nicht.
    Helena stützte sich am Rücken des Hirsches auf. Ihr Blick war auf den Engel gerichtet, als er näher kam. Am liebsten hätte er sie sofort in die Arme genommen, aber er wollte ihr keine Angst machen. Sie hatte ihre Fassung halbwegs wiedergefunden, aber diese stand wie sie selbst auf wackligen Beinen.
    „Helena. Was hast du gemacht? Warum warst du zwischen den Büschen?“
    „Ich musste mal pinkeln“, meinte sie lethargisch.
    „Geht es dir gut?“
    Sie lächelte freudlos. „Nicht so richtig.“
    Vorsichtig schob er ihr den feuchten Kapuzenmantel von den Schultern, schälte sich aus seiner Lederjacke und hüllte sie darin ein. Sie ließ es geschehen, nuschelte ein verschämtes „Danke“. Er entdeckte Blut an ihren Beinen, aber es schienen nur die Knie zu sein.
    „Bist du wirklich nicht verletzt?“
    Sie schüttelte kaum merklich den Kopf. „Nein, ich bin okay.“
    Er schluckte gegen einen Kloß, der ihm die Kehle blockierte. „Hat … hat dich jemand angefasst?“
    „Nein.“ Das Wort klang, als müsse sie es sich selbst wahr reden.
    Zweifelnd, ob er zu weit ging, breitete er seine Arme ein kleines Stück aus. „Komm her.“
    „Ich hab mir nicht die Hände gewaschen.“
    Er zog einen Mundwinkel hoch. Das war ihm so was von egal.
    Helena presste die Lippen zusammen, rang mit sich und gab nach. Zögerlich lehnte sie sich gegen seine Brust und ließ zu, dass er seine Arme um sie schloss. Samuel mahnte sich zur Vorsicht, streichelte nur beruhigend ihren Rücken, während sie langsam durchatmete.
    „Was ist passiert?“, flüsterte er in ihr Haar. Sie roch nach Waldboden, Alkohol und einer Note, die ihn störte, ohne dass er sie benennen konnte.
    Statt einer Antwort fragte sie: „Was ist das für eine Kirche?“ Ihr Blick war auf die Hirschstatue gerichtet, ihre Wange lehnte an seiner Brust.
    „Sie ist dem Heiligen Eustachius gewidmet“, erklärte Samuel. „Auf der Jagd erschien dem Heermeister Placidus einst Jesus in Gestalt eines Hirsches und bekehrte ihn zum Christentum. Eustachius, wie der Mann sich fortan nannte, soll in schwierigen Lebenslagen Beistand geben und ist der Schutzpatron der Jagenden.“
    „In dieser Nacht wohl eher Schutzpatron der Gejagten.“
    Die Bemerkung erschreckte ihn. „Was sagst du?“
    Sie schnaubte, nur der Ansatz eines unglücklichen Lachens und sah zu ihm auf. „Nicht so wichtig. Du bist also gläubig.“
    „Das ist lange her.“
    „Warum hast du deinen Glauben verloren?“
    Es irritierte ihn, dass sie ihm Fragen stellte. Sie sollte jetzt an sich selbst denken. Aber vielleicht benötigte sie mehr Zeit und Ablenkung. Er zuckte mit den Schultern. „Schicksal. Oder mir erschien zu lange kein Hirsch mit Heiligenschein mehr.“
    „Es tut mir leid, dass ich gestern so eklig war“, sagte sie unvermittelt. Er drückte sie fester an sich und lehnte die Stirn an ihren Scheitel.
    Ihr durfte nichts passiert sein. Jedem. Aber nicht ihr. „Ich bring dich hier weg, okay?“
    Helena taumelte vor Erschöpfung. Er stützte sie, während er sie zum Wagen führte. Die Hände in den Ärmeln der Jacke verborgen, verschränkte sie die Arme vor der Brust und schien in ihren Gedanken gefesselt. Sein Arm umschloss sie. Sie erlaubte es, schmiegte sich eng an seine Seite, verbot ihm aber gleichzeitig durch ihr Schweigen jede emotionale Annäherung. So nah und doch unendlich weit fort. Er grübelte, ob er sie besser in ein Krankenhaus bringen sollte. Sie schien derart abwesend, dass er einen ernsthaften Schock befürchtete.
    Im Auto drehte Samuel die Heizung hoch und schob ihr die zweite Tafel Schokolade rüber.
    „Frühstück“, scherzte er. „Der Kaffee wird mit Zeitverzögerung nachgereicht.“
    „Bitte fahr noch nicht zu mir nach Hause.“ Plötzlich war ihr Blick fest und entschlossen. „Ich muss es wissen. Es treibt mich in den Wahnsinn, nicht zu wissen, ob es wahr ist.“
    Er verstand nicht. „Ob was wahr ist?“
    Und dann atmete sie tief durch und erzählte. Zwei, drei Sätze lang blieb ihre Stimme nüchtern und beherrscht. Dann brach alles in einem Schwall aus Tränen und Worten aus ihr heraus, unter dem er lieber zusammengebrochen wäre, statt zu sehen, wie sie es tat.
    Als sie ihm schließlich den Abend rekonstruiert hatte und er ebenso wenig wusste, was von den Ereignissen geschehen und was halluziniert war, lag sie wieder in seinen Armen. Sein Hemd war feucht. Durch den am Körper klebenden Stoff spürte er jede Regung ihrer Miene, selbst das

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