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Benkau Jennifer

Benkau Jennifer

Titel: Benkau Jennifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phoenixfluch
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aufgeschreckter Vogel flatterte ihr Herz gegen ihren Brustkorb, als sie einen einsamen Strich auf der Leiste entdeckte, die den Empfang anzeigte. Aus Angst, er würde verschwinden, wenn sie zu lange wartete, wählte sie, so schnell ihre steifen Finger es vermochten, die letzte angerufene Nummer. Steffi kannte sich in der Gegend aus, sie würde sie bestimmt schnell finden.
    „Ja?“, klang jedoch eine ganz andere, unverkennbar männliche Stimme aus dem Telefon.
    Ihrer Situation zum Trotz fand Helena noch einen Lidschlag lang die Nerven, sich über ihre Zerstreutheit zu ärgern. Als letzte Nummer hatte sie Samuels gewählt, nicht Steffis.
    „Hallo?“ Seine Stimme klang rau und verkrampft.
    „Ich … entschuldige bitte.“ Zu spät bemerkte sie, dass ihre eigene Stimme nicht unter Kontrolle zu bekommen war. Ein Schluchzen stieg in ihrer Kehle auf. Es drängte nur stärker aus ihr heraus, da sie sich bemühte, es zu unterdrücken.
    „Helena, bist du das? Weinst du? Was ist passiert?“
    „Nichts“, presste sie hervor. Nein, egal wie dreckig es ihr ging, sie hatte seine Hilfe nicht nötig. Nicht seine. Nicht, nachdem sie sich gestern so zickig aufgeführt hatte und er sie nun mit Gewissheit für eine Furie hielt. Zu Recht. „Entschuldige. Ich werde meine Freundin anrufen. Wollte dich nicht stören.“
    „Hey!“, rief er besorgt und verbot ihr damit, das Gespräch wegzudrücken. „Du störst mich nicht. Nie.“ Er lachte, es klang gezwungen. „Ich würde mich über deinen Anruf freuen, wenn du nicht klingen würdest, als hättest du die Nacht unter freiem Himmel verbringen müssen.“
    Seine Worte brachen die Tore ihrer verteidigten Mauern ein wie die Stöße von Rammböcken. Unweigerlich fand der Schluchzer seinen Weg an die Oberfläche, ebenso ein paar Tränen.
    Samuel wurde schlagartig ernst. „Sag mir, wo du bist. Ich komme. So schnell ich kann.“
    Helena gelang es nicht, das Zittern einzudämmen. „Irgend so eine K-k-kirche im Wald. Vor dem Eingang st-steht eine Statue. Ein E-engel auf einem Hirsch.“
    „Ich weiß, wo das ist. Zwanzig Minuten. Okay?“
    Sie wollte ‚okay‘ sagen, doch aus ihrem Mund kamen andere Worte. „Bitte beeil dich.“

    Samuel ließ die Verbindung bestehen, er legte sein Mobiltelefon nur neben sich ab, während er sich hastig anzog. Seine Bewegungen waren noch steif und wurden von dumpfen Schmerzen begleitet. Er stopfte Traubenzucker und zwei Tafeln Schokolade in die Taschen seiner Lederjacke. Appetit hatte er nicht, aber die Unterzuckerung nach der Regeneration war nicht zu unterschätzen und hatte ihn schon einige Male umgehauen.
    Während der Fahrt beruhigte er Helena übers Telefon und verschlang dabei eine Tafel Schokolade, als sei sie ein Butterbrot. Nervennahrung, Ablenkung und Zucker zu gleichen Teilen.
    Verdammt, was machte sie so früh am Morgen im Wald? Als sie am Abend zuvor auf seine Mailbox gesprochen hatte, war sie noch immer wütend gewesen. Er hatte geahnt, dass sie vielleicht etwas Dummes machen würde, und konnte doch nichts tun. Das Ganze gefiel ihm immer weniger. Es roch nach einem von Moiras Späßen und war zugleich viel zu gradlinig, um in die Muster zu passen, nach denen sie für gewöhnlich mit ihm spielte.
    Er schloss die Hände krampfhaft um das Lenkrad und trat das Gas durch. Helena wirkte vollkommen verstört, behauptete jedoch, unverletzt zu sein. Er hoffte es. Hinter seinen Schläfen entstanden Bilder von unterschiedlichen Kerlen, die ihr Unaussprechliches antaten. Gesichtslos waren sie, er sah nur Helenas aufgerissene Augen. Blut in ihrem Schoß. Galle brannte in seinem Hals.
    Er parkte in der Nähe der Kirche an der Straße und lief das letzte Stück auf Trampelpfaden durch den Wald. Still und unbeweglich lag er vor ihm, von dem Frühnebel aller Farben beraubt, wie eine unzureichend beleuchtete Schwarz-Weiß-Fotografie.
    „Ich sehe die Kirche“, sprach er ins Telefon. „Wo bist du?“
    Im nächsten Moment trat ihre schmale Gestalt zwischen zwei Haselnusssträuchern seitlich des Gebäudes hervor. Er steckte das Handy in die Tasche und lief schneller. Schon von Weitem registrierte er ihr Aussehen. Sie war bleich und über und über mit Schmutz bedeckt. Selbst in ihrem Haar klebte Erde. Unter einem Kapuzenumhang, den sie fest um ihre Brust gezogen hatte, schlackerte ihr Rock. Samuel rang nach Atem. Der Stoff hing in Fetzen um ihre Beine, als hätte ihn jemand zerrissen. Gewaltsam zerrissen. Ein eisiger Schmerz schoss durch seinen

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