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Benkau Jennifer

Benkau Jennifer

Titel: Benkau Jennifer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phoenixfluch
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seinem unveränderlichen Körper war er auf groteske Weise herausgestochen, aus der Menge der übrigen Gefangenen, die bisauf die Knochen abgemagert waren. Einen Glücksgriff hatten die Aufseher seine Inhaftierung genannt, weil er stark war. Bei seiner Inhaftierung hatte er mit bloßen Fäusten drei Soldaten getötet. Er ließ ihnen keine Zeit, hinter sein Geheimnis zu kommen und griff erneut an, sobald er die Chance dazu sah. Sekunden später durchlöcherten Projektile seinen Leib. Ein Glücksgriff, fürwahr.
    In einem Haufen menschlicher Überreste erwachte er am nächsten Morgen. Ihre abgemagerten Leichen stießen noch das Kohlenmonoxid aus, das den Geruch der Verwesung angenommen hatte. Man hatte seinen Leichnam am Vortag zu denen der übrigen Toten geworfen, doch durch den Nieselregen waren deren Leiber zu feucht gewesen, um Feuer zu fangen, als er am späten Abend verbrannt war.
    Nur hundert Meter von diesem Haufen getöteter Menschen entfernt, zwangen SS-Soldaten die nur mit Unterhosen bekleideten Gefangenen zum Strammstehen. Eine Stunde standen sie bewegungslos im Regen, vielleicht auch zwei. Samuel hatte jedes Zeitgefühl verloren und bettelte still darum, dass man sie abtreten lassen würde, damit er sich davonschleichen konnte. Die Menschen dort stehen zu sehen, zerriss ihm den Verstand. Sie waren wegen ihm dort, fast als hätte man sie allein für ihn dort Aufstellung nehmen lassen.
    Später erschienen Frauen, die die Todesopfer nach brauchbaren Gegenständen durchsuchen mussten, ehe man die Leichen verbrannte. Schuhe, Kleidung, Zahngold. Selbst die Haare schnitten sie ihnen ab. Billiger Matratzenfüllstoff.
    Es gelang ihm, sich zu verstecken. Ab dem späten Abend wartete er in der Nähe eines meterhohen Drahtzaunes, bis das Schicksal ihn töten würde. Es kam in Form eines Soldaten, der seine Menschlichkeit wohl vor langer Zeit durch die Mündung seines Gewehrs in unzählige Körper gejagt hatte, wo sie gemeinsam mit seinen Opfern gestorben war. Zumindest erklärte Samuel sich so, was sich nicht erklären ließ. Mit abgewandtem Blick und verkniffenem Mund durchlöcherte der Soldat ihm beide Beine. Der Gnadenschuss folgte rasch, kaum dass Samuel zu Boden fiel. Sein Körper verbrannte, ehe man ihn zu den anderen Toten schaffen konnte, und der Regen schwemmte seine Asche ein paar Meter landabwärts. Am nächsten Morgen kam er auf der anderen Seite des Zaunes zurück ins Leben. Er hatte Glück gehabt, an einem Ort, an dem es Glück nicht gab.
    Der Soldat war Tage später durch seine Hand gestorben, und nach diesem noch viele andere. Kalt und bar jeder Leidenschaft hatte Samuel gekämpft, war gestorben und hatte wieder gekämpft. Nicht, weil er es wollte, sondern aus dem Gefühl heraus, es tun zu müssen. Keiner dieser Siege war Triumph gewesen, um keinen Toten hatte es ihn geschert. Doch mit jedem ermordeten Soldaten schien es ihm, als stürbe auch ein weiterer Teil von ihm. Einige schienen ihn wiederzuerkennen. Blankes Entsetzen stand in ihren Gesichtern. Doch Samuel ahnte, dass keiner dieser Männer seine Vermutung aussprechen würde, dass dieser Gefangene vom Tode auferstand. Jedermann wusste, was mit Soldaten geschah, die den Verstand verloren oder halluzinierten. Er war ein Geist für sie und jeder der Getöteten hielt ihn in seinen letzten Sekunden vermutlich für seinen ganz persönlichen Dämon.
    „Es waren zu viele“, sagte er schließlich, um einen sachlichen Ton bemüht, was gründlich misslang. „Sie brachten immer neue Menschen in die KZs. Sie wurden nicht weniger, der Strom riss nicht ab. Die Nazis zahlten dem Ausland 500 Mark für jeden ausgelieferten Juden. Es kamen immer mehr.“ Er hörte, wie seine Stimme brach, stützte die Stirn auf die Fäuste und die Ellbogen auf die Knie.
    Helenas Finger glitten in seinen Nacken, er spürte ihre Handfläche kühl und feucht werden. Zittern. Aber ihre Berührung verlangte unerbittlich nach mehr. Also sprach er weiter.
    „Ich ging zurück in die Druckerei und habe mit zwei Männern Propagandamaterial gegen die Nationalsozialisten gedruckt. Wahrheit auf Papier, soviel wir konnten. Und Bittbriefe um Unterstützung. Doch die Menschen waren blind vor Angst und verzweifelter Hoffnung auf ein besseres Leben. Der, den sie ihren Führer genannt hatten, schürte das eine wie das andere. Keine zwei Tage später waren meine Mitarbeiter inhaftiert und die Druckerei stand in Flammen.“
    Der beißende Rauch drang gegen die Grenzen seiner Erinnerungen, berührte

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