Benkau Jennifer
deine finanziellen Schwierigkeiten nicht sehr professionell verbirgst. Ein Unding, das mir einem Geschäftspartner gegenüber nicht so schnell unterlaufen würde.“ Er fing einen verunsicherten Blick Tonis auf und sprach weiter, ehe dieser etwas erwidern konnte. „Potenziellen Klägern erst recht nicht.“
Die Drohung in seiner Stimme war kaum zu hören, sie schwängerte dennoch spürbar die Luft.
Toni verbarg die Augen hinter einer Hand. Er wirkte geschlagen, als wäre nun ohnehin alles zu spät. „Es ist nur diese verdammte Wirtschaftskrise“, murmelte er resigniert. Sein Blick glitt durch die graue Katze hindurch, als wäre sie gar nicht da. „Die Leute sparen als Erstes an Kunst und Kultur.“
„Solange wir nicht genau diese Zeiten der Besorgnis nutzen, um ihre Sehnsucht nach vergangenen Tagen anzustacheln, tun sie das, ja.“ Erneut zuckte Samuel mit einer Schulter und machte den Eindruck, als wäre er all dem weit überlegen.
Vielleicht war er das wirklich, dachte Helena, fasziniert von dem Erlebnis, wie der eben noch bis ins Mark erschütterte Samuel vor ihren Augen zum gewieften Geschäftsmann wurde. Doch jemandem, der Kriege und Hungersnöte gesehen hatte, konnte eine Zeit finanzieller Engpässe sicher keine Angst mehr machen. Wenn es ihm immer gelang, diese Gelassenheit an seine Kunden zu verkaufen und man dies mit seiner Erfahrung multiplizierte, erklärte sich sein Erfolg wohl von allein. Wie er es auch anstellte, Toni schien über den Tisch hinweg zu ihm aufzusehen.
„Hör zu, du Möchtegern-Mafiosi.“ Samuel zeigte ein ehrliches Lächeln. „Ich biete dir eine gewisse Unterstützung an, finanziell, sowie meinen Rat betreffend. Ob du annimmst, bleibt dir überlassen. Meine Forderung ist, dass du das Horn zurückgibst.“
Toni schüttelte den Kopf wie jemand, der vergebens versuchte, sein alkoholberauschtes Hirn klar zu bekommen. „Mitte dieser Woche kommt der Kurier, das verdammte Teil ist fort und das Notenhaus für mindestens zwei Monate gerettet. Dann das Weihnachtsgeschäft, und wir können es schaffen.“
„Und wir können es schaffen“, äffte Helena ihn scharf nach. Sie benahm sich zickig, aber das war ihr egal. Es machte sie verrückt, dass Toni nicht begriff, was an seiner Starrköpfigkeit hing. Wenn sie es ihm doch hätte erklären können. Erneut schossen ihr Tränen in die Augen. Das Ganze war zu viel.
„Schscht, bleib ruhig“, tröstete Samuel sie leise und wandte sich dann mit einem Seufzen wieder Toni zu. „Wie viel?“
„Was?“ Toni fuhr erschrocken hoch und auch Helena sah auf.
Warum bot Samuel nun Geld? Er hatte Toni so gut wie überzeugt.
„Wie viel zahlt dein Kunde für das Objekt? Ich zahle dir genau einen Euro mehr. Akzeptierst du einen Scheck?“
Auf dem Weg zu Lady Claire musste Samuel an einer Ampel halten. Helena lehnte die Stirn an die kalte Fensterscheibe und starrte hinaus. Draußen befand sich ein Spielplatz, gesäumt von einer niedrigen Ligusterhecke. Am Rande des Sandkastens hockten eine türkische Mutter und ihr kleiner Junge und pusteten fröhlich Seifenblasen in die Luft. Auf einer der an Eisenketten hängenden Schaukeln saß ein jugendliches Mädchen mit langen, schwarzen Locken und olivfarbener Haut, gekleidet in eine Sportjacke und eine fliederfarbene Flatterhose, wie sie in den Achtzigern modern gewesen waren. Sanft schwang sie im Wind vor und zurück und verfolgte die an ihr vorbeifliegenden Seifenblasen. Wenn sie ihr nahe kamen, streckte sie eine Hand aus, berührte sie jedoch nicht.
„Das habe ich früher auch gemacht“, sagte Helena, als sie bemerkte, dass Samuel in dieselbe Richtung sah.
Mit schmalen Augen erwiderte er ihren Blick. „Was meinst du?“
„Seifenblasen gejagt, sie aber nie gefangen, weil es sie zerstören würde. Wie das Mädchen dort. Mit meiner Cousine habe ich sogar versucht, Seifenblasen einzufrieren, sodass wir sie berühren konnten. Ist uns aber nie gelungen.“
Samuel zog die Unterlippe zwischen die Zähne. Er schwieg, aber sein Blick sagte mehr als tausend Worte. Helena wagte es kaum, sich wieder zu dem schaukelnden Mädchen umzuwenden. Plötzlich musste sie an die graue Katze auf Tonis Tisch denken, die niemand beachtet hatte.
„Da ist kein Mädchen auf der Schaukel, oder?“, flüsterte sie.
„Doch.“ Samuel berührte ihre Schläfe, strich behutsam zu ihrer Wange herab, als wäre sie so zerbrechlich wie die Oberfläche einer eingefrorenen Seifenblase. „Aber ich kann es leider nicht
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