Benkau Jennifer
schlimmer sein, als das Wissen, dich verraten zu haben.“
„Erklär es mir.“
Zaghaft, als würde sie bei einer falschen Berührung zerspringen wie eine Skulptur aus hauchfeinem Glas, berührte er ihre Hand. Seine war warm und taute ein klein wenig von dem Eis, das ihren Körper lähmte. Ihre Finger fanden ihre Beweglichkeit zurück und schlossen sich ohne bewusstes Zutun um seine.
„Dass es ein Dämon ist, gegen den ich kämpfen muss, sagte Lady Claire mir gestern. Ebenso, dass nur Hexen die Gabe besitzen, Dämonen rufen zu können; weshalb es notwendig war, dass ich dich fand, ehe ich an Antworten gelangen konnte. Ich hielt es für gefährlich, wollte verhindern, dass du das Risiko tragen musst. Daher habe ich nichts gesagt. Ich habe gehofft, damit wäre die Sache erledigt.“
„Er…ledigt?“ Das konnte sie doch nur falsch verstanden haben. „Du wolltest den Fluch einfach weiter tragen?“
Er zog einen Mundwinkel hoch, aber Amüsement war etwas anderes. „Mein Leben war mir plötzlich kostbar. Du …“ Er stockte und setzte neu an. „Es war mir ein paar weitere Tode wert.“
Gerührt von seinen Worten führte sie seine Hand an ihre Lippen. Hätten sie doch nur die Angst lindern können. Die Angst vor seiner zweiten Seite, dem nachtschwarzen Teil von ihm.
Er lachte auf, humorlos und trocken. „Hätte ich vermutet, dass der Dämon längst deiner Fährte folgt, wäre ich keinen Moment unehrlich gewesen, bitte glaub mir das.“
Sie glaubte ihm. Ihr Versuch, ihn vor ihren Geistern zu bewahren, hatte sie beide ebenso tief in den Mist geritten, wie seine Bemühungen, sie vor seinen Wahrheiten zu schützen. Eine grässliche Lektion, dass gut gemeint nicht immer gut gemacht bedeutete.
„Wie kann es sein, Samuel, dass der Dämon deine Gedanken kennt, du aber nicht seine?“
„Keine Ahnung. Vielleicht ist er es, der das Feuer zündet, und er brandschatzt aus meinem Kopf, was er für sich haben will.“ Er sog zischend Luft ein, als würden die Flammen schon wieder an ihm lecken. „Ich weiß es nicht, vergib mir, ich weiß es nicht.“
Damit entzog er ihr seine Hand, schlug die Tür zu und umrundete den Wagen. Wortlos und ohne sie anzusehen, brauste er los und fuhr schweigend bis zu Helenas Haus.
Samuel drehte den Schlüssel um, der Motor verebbte und Stille breitete sich aus, weiteres Unbehagen verteilend. Der Hund leckte sich hektisch die Lefzen, sprang auf dem Rücksitz auf, drehte sich um seine Achse und setzte sich wieder hin, doch Helena ließ ihn noch nicht aussteigen. Samuel focht mit Worten, die gesagt werden mussten, obgleich er es nicht wollte.
„Ich kann das nicht“, wisperte Helena schließlich. „Ich kann keinen Dämon beschwören, Samuel. Es tut mir so leid, aber das …“
„Ich hätte das nie von dir verlangt. Es ist schon gut.“
„Es ist uns verboten“, fuhr sie fort und warf ihm ein hilfloses Lächeln zu. „Aus gutem Grund verboten. Dämonen können menschliche Körper besetzen. Wenn man sie beschwört, kommt das einem Angebot gleich. Ich habe Angst davor. Angst, einen Fehler zu machen.“
„Helena, hör auf.“ Sanft drehte er ihr Gesicht in seine Richtung. Er meinte jedes Wort so, wie er es sagte. „Ich will nicht, dass du das tust. Ich würde es mir nie verzeihen, wenn er dir etwas antäte. Und angenommen, es gelänge und ich könnte ihn besiegen: Wie sollte ich dir wieder unter die Augen treten, wenn ich dieses Ding in mir trage?“
Er war nicht sicher, ob er sich dann selbst je wieder im Spiegel ertragen würde.
„Aber was sollen wir sonst tun?“
„Du wirst fortgehen“, sagte er fest, fing ihren entsetzten Blick auf und verhärtete seinen. „Nein, widersprich mir nicht. Denk doch nach. Es ist die einzige Möglichkeit, wie wir beide weiterleben können. Du in Sicherheit, an einem Ort, den ich nicht kenne. Ich werde die Kraft finden, der Hölle weiterhin zu widerstehen, in dem Wissen, dass es dir gut geht, und weil du hin und wieder an mich denken wirst.“
Ihre Augen glänzten dunkel, ihre Lider flatterten. Er wünschte, er könnte ihr ein wenig der Entschlossenheit geben, die er in sich spürte. Entschlossen, das war er wahrhaftig. Wie hoch der Preis auch sein sollte, ihr durfte nichts geschehen. Nicht seinetwegen.
Es hatte immer etwas gegeben, das ihn zusammenhielt, er würde nicht zerbrechen. Lange war es Gleichgültigkeit gewesen. Die hatte sie ihm rücksichtslos weggenommen, und ihn stattdessen mit ihren eigenen Händen zusammengehalten. Nun, da
Weitere Kostenlose Bücher