Benson, Amber - Jenseits GmbH 1 - Lieber Tod als Teufel
von Sekunde zu Sekunde verrückter zu werden. Bald würde ich total am Rad drehen.
„Vielleicht!“, rief ich.
Einen Moment lang kam keine Antwort, und ich war mir nicht sicher, oh die Stimme noch etwas sagen würde. Doch dann, als wollte sie mir meinen Wahnsinn bestätigen, sprach sie wieder. „Ich bin der ich bin.“
Ich brauchte einen Moment, um diese Worte zu verarbeiten. „Meinst du damit, dass du Gott bist?“, schrie ich, während ich immer schneller durchs Nichts flog. „Willst du mir das sagen?!“
„Ja, genau“, antwortete die Stimme.
„Warum sollte ich dir glauben? Wenn du die Wahrheit sagst, bist du derjenige, der mir überhaupt erst dieses blöde Geburtsrecht verliehen hat! Du hast mir diesen Schlamassel eingebrockt!“
Ich wurde vom Schreien langsam heiser. So hatte ich mir ein Gespräch mit dem Schöpfer aller Dinge eindeutig nicht vorgestellt. Langsam regte ich mich ernsthaft darüber auf, dass man mich in eine so kompromittierende Situation gebracht hatte.
„Ich habe dir nur die Gelegenheit gegeben, dich in diesen ganzen Schlamassel hineinzumanövrieren“, erwiderte Gott mit dieser zugleich geschlechtslosen und sexy Stimme.
„Ach, du meinst meinen freien Willen!“, schoss ich abfällig zurück. Ich wusste schon, worauf das hinauslaufen würde -nämlich genau auf den Punkt, an dem alle auf mich zeigen und sagen konnten: „Du bist selber schuld an der ganzen Sache, Calliope Reaper-Jones.“
Lange Zeit herrschte Stille, und dann war ich plötzlich sicher, zu hören, wie Gott versuchte, ein Lachen zu unterdrücken.
„Das ist der freie Wille, Calliope Reaper-Jones.“
Na bitte, dachte ich missmutig. Zumindest da lag ich absolut richtig!
„Na schön“, meinte ich, „du hast gewonnen.“
Gott hatte also seinen Trumpf ausgespielt – schließlich hatte ich mich tatsächlich selbst in diesen ganzen Schlamassel manövriert. Niemand hatte mich gezwungen, dem Wunsch meiner Mutter und Pater McGees nachzukommen. Niemand hatte mich gezwungen, „nein“ zum Teufel zu sagen.
Man hatte mich zu nichts gezwungen. Vielleicht hatte man mich überredet, mir Schuldgefühle gemacht, doch man hatte mich nie zu etwas Bestimmten gezwungen.
„Gott?“, sagte ich.
„Ja, Calliope Reaper-Jones?“
„Ich möchte nicht mehr der Tod sein.“
„Ich weiß, meine Liebe, aber manchmal kriegt man eben nicht das, was man will.“
Es war wirklich das Letzte, dass Gott mir gegenüber soeben die Rolling Stones zitiert hatte – obwohl er ganz und gar recht hatte.
Verdammt, meine Augen waren leer geweint, und ich war meinen ewigen Herzschmerz leid. Ich wollte zurück in meine olle kleine Wohnung in Battery Park City in New York, um ins Bett zu kriechen, mir die Decke über den Kopf zu ziehen … und einfach zu verschwinden.
„Du musst zu Ende bringen, was du angefangen hast, Calliope“, sagte Gott.
Na schön, ich wusste, dass er recht hatte, aber ich hatte wirklich keine Lust, es zuzugeben, weshalb ich mich noch ein wenig wand.
„Wie soll ich etwas zu Ende bringen, während ich in einen bodenlosen Abgrund am Rand der Hölle stürze?“, schrie ich Gott an.
„Ach, Liebes“, meinte er lachend. „Das ist der einfachste Teil.“
Es herrschte vollkommene Stille.
Ich fiel schon seit geraumer Zeit nicht mehr, konnte mich aber nicht überwinden, die Augen zu öffnen, um zu sehen, wo ich mich befand. Ich hatte schreckliche Angst, wieder in der Höllenwüste zu sein und festzustellen, dass ich mit einem durchsichtigen Zaubernylonfaden an einer Palme festgebunden war.
Nachdem ich ein ernstes Wörtchen mit mir geredet hatte, wappnete ich mich für eine grausame Enttäuschung und öffnete die Augen.
Ich saß auf der obersten Stufe einer langen, mit komplexen Schnitzereien verzierten Tempeltreppe. Unter mir befanden sich die Reste von Indras prächtigem Filmstudio. Die Bühne sah aus, als hätte sich soeben eine gnadenlose Schlacht auf ihr abgespielt. Die einst wunderschönen Kulissen hingen in Fetzen, die Treppe war angekokelt … selbst die Besenkammer, in der wir uns versteckt hatten, war nur noch eine lose Ansammlung von Besen und Eimern.
Was, zum Teufel, ist hier passiert?, fragte ich mich.
Ich stand auf und ließ den Blick auf der Suche nach Überlebenden umherschweifen.
Es dauerte nur etwa eine Minute, um festzustellen, dass es keine gab.
Die Gopis waren allesamt tot. Man hatte ihnen die Leiber aufgerissen, als wären sie Stofftiere, und ihre Eingeweide wie Girlanden über die bunt bemalten
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