Benson, Amber - Jenseits GmbH 1 - Lieber Tod als Teufel
hatten. Dann sah ich zu, wie sie die Tür mit drei Riegeln und einer Kette zusperrte.
Ich starrte auf die zahlreichen Schließvorrichtungen, die mir erst jetzt auffielen – wahrscheinlich war ich zu sehr damit beschäftigt gewesen, mich selbst zu bemitleiden.
„Wozu die ganzen Schlösser?“, fragte ich beiläufig. Ich wollte ihr nicht das Gefühl geben, sich rechtfertigen zu müssen, aber all diese Sicherheitsmaßnahmen weckten meine Neugier. Sie zuckte nur mit den Schultern und setzte sich neben Kümmerchen auf den Boden. Die Hündin pirschte sich zufrieden an sie heran und ließ sich hinterm Ohr kraulen.
„Ich habe sie vor drei Monaten angebracht, nachdem jemand bei mir eingebrochen war“, erklärte sie seufzend. Ich ließ den Blick durch ihr Zimmer schweifen, über den Computerkram, der auf dem Boden herumlag, ihren gesamten Schreibtisch bedeckte und wahrscheinlich unter dem Bett Computerkrambabys zeugte. Ich konnte mir nicht mal ansatzweise vorstellen, wie sie herausfinden wollte, ob jemand ihre Sachen durchsucht hatte.
„Ich weiß, für dich sieht das wie ein Saustall aus, doch für mich … ist das nicht mal ansatzweise so. Ich weiß, wo alles liegt, und ich kann sehen, ob jemand hier drin war.“
„Na schön, ich glaube dir. Aber warum sollte man dein Zimmer durchsuchen?“
Hätte ich Clio nicht so aufmerksam beobachtet, wäre es mir überhaupt nicht aufgefallen – dieses Aufflackern von Angst in ihren Augen, das nur für einen winzigen Moment zu sehen war und dann wieder erlosch … als hätte es nie existiert.
„Das ist ja das Seltsame“, sagte sie wachsam. „Ich weiß nicht, warum.“
14
Meine kleine Schwester Clio hatte einen unglaublich hohen IQ – deshalb war ich ja überhaupt erst darauf gekommen, dass ich mir auf jeden Fall ihre Unterstützung sichern musste, wenn ich meine Aufgaben bewältigen und Vater, Thalia und Jarvis retten wollte. Wenn sie sich also ernsthaft Sorgen machte, weil jemand ihr Zimmer auf den Kopf gestellt hatte, war das nicht so einfach abzutun.
„Die haben nicht nach Drogen oder so gesucht?“, kam es mir mit einem Mal in den Sinn. Genau Bescheid zu wissen ist wichtiger als politische Korrektheit, besonders wenn man nur einen vagen Verdacht hat, sagte ich mir, obwohl ich mir darüber im Klaren war, dass Clio sich von dieser Frage angegriffen fühlen würde.
Es klang zwar eher unwahrscheinlich, aber meine Mutter konnte manchmal ein bisschen überreagieren, und Drogen, richtige Drogen, waren ein wohlbekannter Katalysator für Caroline Reaper-Jones’ Überreaktionen. In meinem zweiten Highschooljahr hatte ich einmal auf ein Stäbchen pinkeln müssen, um ihr zu beweisen, dass ich nicht kiffte, und bei einer anderen Gelegenheit hatte sie mich beschuldigt, den Wodka aus der Wohnzimmerbar ausgetrunken und durch Wasser ersetzt zu haben. Obwohl ich niemals auf so eine Idee gekommen wäre, hatte ich mich schuldig gefühlt. Es war schrecklich gewesen.
Clio starrte mich finster an. Sie sah so beleidigt aus, dass ich mir wünschte, meine Worte zurücknehmen zu können.
„Ich dachte ja nur …“, setzte ich an.
„Ich brauche keine Drogen, Cal. Ich habe meinen Computer. Zusammen mit dem Internet ist das Sucht genug für einen Menschen, findest du nicht?“
Dazu fiel mir nichts ein. Ich besaß keinen Computer, aber mein Rechner im Büro hatte mich in eine leichte Solitaire-Abhängigkeit gestürzt, von daher hatte sie vielleicht nicht ganz unrecht. Wir hatten alle unsere eigenen kleinen Abhängigkeiten, ganz egal, wie sonderbar sie anderen Leuten erscheinen mochten.
Möchte hier jemand über seine Shoppingsucht reden?, fragte eine leise Stimme in meinem Hinterkopf, und plötzlich fühlte ich mich ein bisschen schuldig für meine Klamotten-Hassliebe. Hassliebe deshalb, weil ich es hasste, mir nicht all den verlockenden Designerkram leisten zu können, nach dem mein Herz verlangte.
„Hast du schon jemanden darauf angesprochen?“
Clio stöhnte. „Du meinst Mom?“
Ich nickte.
„Sie hat gesagt, dass ich mich nicht lächerlich machen soll. Selbst Thalia meinte, ich würde ‚total übertreiben’.“
„Du hast Thalia davon erzählt?“ Jetzt war ich neugierig. Mir war nicht bewusst gewesen, dass Clio und Thalia sich so nahestanden. Genau genommen hatte ich immer angenommen, ich und Clio wären die Unzertrennlichen. Aber ich schätze, wenn man nicht da ist, um sich die Probleme seiner kleinen Schwester anzuhören, sucht die kleine Schwester sich eben
Weitere Kostenlose Bücher