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Benson, Amber - Jenseits GmbH 1 - Lieber Tod als Teufel

Benson, Amber - Jenseits GmbH 1 - Lieber Tod als Teufel

Titel: Benson, Amber - Jenseits GmbH 1 - Lieber Tod als Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amber Benson
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meinem Kopf das Wort „Salzleckstein“ bildete, schaute ich auf … und sah die Palme.

22
     
     
    Ich war wieder ein Kind – dünn und zerzaust, in rosa Tank Top und kurzer Hose -und starrte mit rot geweinten Augen die hohe, gebeugte Palme an, die wie ein Wachtposten in der sengenden Hitze stand. Ich hatte Angst, ich wusste nicht, wo ich war … und ich fühlte mich sehr, sehr allein.
    Damals hatte ich die Palme gesehen, und hier war sie wieder, genauso dürr und krumm, wie ich sie in Erinnerung hatte, wie der Geist eines Albtraums aus meiner Kindheit.
    Die Oase hatte sich kaum verändert. Die Palme war noch immer das Einzige, was dort wuchs, und sie war nach wie vor dünn wie eine Lakritzstange oder ein verhungernder Hund. Das Wasser war noch immer so klar, dass man wie durch eine Lupe den Sandboden in der Tiefe sehen konnte.
    Als ich nun also dort stand und mir den Anblick der Oase ins Gedächtnis rief, die ich in meinen Kindertagen in der Hölle entdeckt hatte, wurde mir klar, dass auch ich mich, genau wie dieser Ort, in den vergangenen Jahren leider kaum verändert hatte.
    Ich war immer noch dünn und zerzaust … und sehr, sehr allein. Ich fragte mich, ob mein „Freund“, Monsieur D., ebenfalls noch hier war, oder ob er seine Schuld abgegolten hatte und sich nun wieder auf dem Rad von Samsara befand, um dem Schicksal entgegenzugehen, das Gott ihm zugedacht hatte.
    Ich schlurfte durch den Sand und hielt mir schützend die Hand über die Augen, um Ausschau nach Anzeichen dafür zu halten, dass die Oase bewohnt war.
    „Hallo …?“, rief ich, doch meine Stimme verklang schnell in der heißen Stille des Wüstentages. Ich erhielt nur Schweigen zur Antwort.
    „Ist jemand zu Hause?“, fragte ich leiser. Plötzlich sah ich eine kurze Bewegung hinter der Palme hervorzucken, und dann … nichts.
    „Monsieur D.?“
    Zwei außerordentlich dünne Finger, deren Nägel schmutz- und lehm- und gottweißwasverkrustet waren, kamen hinter der Palme zum Vorschein, gefolgt von zwei weiteren. In einer fließenden Bewegung umfassten sie den Baumstamm und zogen. Der Stamm schob sich ein wenig beiseite, und ein Mann kam zum Vorschein. Es war nicht Monsieur D.
    Es konnte nicht Monsieur D. sein.
    Der kleine Mann, der mir vor vielen Jahren in der Oase begegnet war, hatte Zähne gehabt – sie waren vielleicht vergilbt und krumm und schief gewesen, aber es hatte sich eindeutig um Zähne gehandelt. Dieser Mann hatte dort, wo seine Zähne hätten sein sollen, nichts als entzündetes, rotes Zahnfleisch.
    Genau wie Monsieur D. trug der Mann eine schmutzige, in Fetzen hängende Robe, doch anders als mein „Freund“ bestand dieser Mann unter seiner Robe aus nichts als Knochen, die von durchscheinender Haut umhüllt waren. Ja, Monsieur D. war dünn gewesen, aber kein wandelndes Gerippe, kein Klappergestell.
    Dann drehte er sich, sodass ich sein Gesicht besser sehen konnte, und mein Herz setzte einen Moment lang aus.
    Die Nase. Dieser Mann hat Monsieur D.s Adlernase.
    „Monsieur D.“, sagte ich, „erinnerst du dich an mich?“
    Mein Herz hatte seine Arbeit inzwischen wieder aufgenommen, doch jeder Schlag schmerzte nun. Es sehnte sich nach meiner verlorenen Kindheit zurück; es hatte Mitleid mit diesem geschlagenen Mann, der in seiner schmutzigen weißen Robe vor mir stand; mein Herz tat mir wirklich, wirklich weh.
    „Ich erinnere mich“, antwortete er. Die hohe, piepsige Stimme von damals gehörte der Vergangenheit an, und auch von Monsieur D.s leichtem französischem Akzent war in dem rauen Flüstern, mit dem er nun sprach, kaum noch etwas zu hören.
    „Was ist mit dir passiert?“, fragte ich. Es war wirklich so, als wäre ich wieder zum Kind geworden: Ich platzte einfach mit jeder unhöflichen und unangemessenen Frage heraus, die mir in den Sinn kam. Was veranlasst Kinder dazu, sich zu verhalten, als wäre tatsächlich Ehrlichkeit der Motor der Welt?, fragte ich mich.
    Monsieur D. antwortete nicht. Er starrte mich mit großen, traurigen Augen an, aus denen längst jedes Leben gewichen war. Dies war nicht mehr dasselbe unfertige, duldsame Geschöpf, das ich damals hier angetroffen hatte. Ganz und gar nicht.
    „Du siehst total kaputt aus“, sagte ich zu meinem eigenen Erschrecken.
    Monsieur D. lächelte, und beim Anblick des entzündeten, roten Zahnfleischs musste ich beinahe den Blick abwenden. Ein seltsamer, bellender Laut drang aus seiner Kehle, und ich begriff, dass er lachte.
    „Tut mir leid, das war

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