Benson, Amber - Jenseits GmbH 2 - Einmal Tod ist nicht genug
und meine überwältigenden Schuldgefühle als Strafe genug für einen Tag zu akzeptieren. Sollte Jarvis ruhig denken, dass ich zu dumm war, um zu merken, wenn er mich zu manipulieren versuchte.
»Was stand in dem Brief?«, fragte ich vorsichtig, doch der Faun zuckte mit den Schultern.
»Ich weiß nicht. Ich habe ihn nicht geöffnet.«
Verdammt! Der Mistkerl hat seinen Spaß daran, dachte ich verärgert, als mir auffiel, wie die Andeutung eines Lächelns sich auf sein Gesicht stahl. Er wusste, dass ich wusste, dass er es wusste, und es machte ihm Spaß!
»Das hast du mit Absicht gemacht!«, schrie ich und fing an, neben der Marmorinsel, die den Raum beherrschte, auf und ab zu gehen. »Du hast darauf gewartet, oder?«
Jarvis fing an zu kichern, und ich schwöre bei Gott, dass ich ihn beinahe auf die Bretter geschickt hätte.
»Ich hatte so ein Gefühl«, ächzte er atemlos, als aus dem Kichern ein ausgewachsenes Lachen wurde.
»Ach, du Arsch, du wusstest, dass ich ihn wegwerfen würde, und du hast ihn genau deshalb mit Absicht nicht gelesen.« Mein Gesicht lief rot an vor Wut. »Du. Bist. Blöd. «
Das brachte ihn nur noch lauter zum Lachen.
»Und, was mache ich jetzt?«, stöhnte ich. Wütend trank ich Limonade und verschluckte mich daran.
»Am besten solltest du wohl in die Hölle hinabsteigen und herausfinden, was dieser große, dreiköpfige Hund will«, antwortete Jarvis, der sich langsam wieder einkriegte.
»Und was ist, wenn er Kümmerehen zurückhaben will?«, sagte ich zornig.
An diese Möglichkeit wollte ich überhaupt nicht denken. Kümmerchen war für mich zu einem Teil der Familie geworden, und ich hatte nicht die Absicht, sie wieder herzugeben. Sie wohnte vielleicht bei Clio im Haus Meeresklippe, aber das hatte absolut uneigennützige Gründe. Ich meine, was wäre das für ein Leben für einen Höllenhundwelpen, gefangen in einer Einzimmerwohnung in New York City?
Ein einziges Elend wäre das.
Jarvis beantwortete meine Frage mit einem Nicken. »Ich gehe davon aus, dass er dich deshalb herbeordert hat.«
Natürlich hatte Jarvis keine Ahnung davon, dass ich Zerberus einen Gefallen schuldig war, den er jederzeit einfordern konnte, weshalb er kaum auf die Idee kommen würde, dass der Höllenhund mich aus irgendeinem Grund sehen wollte, der nicht Kümmerchens Zukunft betraf.
»Was soll ich machen?«, fragte ich. »Wie kann ich ihn dazu bringen, uns seinen Welpen zu lassen?«
Jarvis zuckte mit den Schultern. »Das ist eine Sache zwischen dir und ihm … und Kümmerchen.«
Ich blickte überrascht auf. »Willst du damit sagen, dass Kümmerchen dabei vielleicht mitzureden hat?«
Jarvis hob erneut die Schultern. Dann nahm er den Limonadenkrug und stellte ihn in den Kühlschrank zurück.
»Nach allem, was ich über Höllenhunde weiß, sind es die Weibchen, derentwegen man sich Sorgen machen muss«, erklärte Jarvis und hob damit zu einem jener Vorträge an, die er so gern. hielt. »Sie sind das dominante Geschlecht dieser Spezies …«
»Aber Zerberus ist riesig. Und er hat drei Köpfe«, fiel ich ihm ins Wort.
»Ja, aufgrund des sexuellen Dimorphismus sind die Weibchen vielleicht kleiner- und sie haben auch nur einen Kopf-, doch das spielt heutzutage eigentlich keine große Rolle mehr. Die Weibchen haben die Kontrolle. Sie wählen einen Lebenspartner zur Paarung, und wenn die Jungen abgestillt sind, gehen sie jagen, während die Männchen sich um die Kinder kümmern.«
»Erstaunlich«, sagte ich. Es gefiel mir immer mehr, wie die Höllenhunde ihren Geschäften nachgingen. »Also, warum ist dann Zerberus der Wächter vom Nordtor der Hölle und nicht seine Frau?«
Jarvis zuckte mit den Schultern. »Ich nehme an, dass die Weibchen nicht irgendwo festsitzen wollen, also passt der Wächterjob besser zu einem Männchen.«
»Interessant«, murmelte ich und überlegte, wie ich mir Jarvis’ Informationen unten in der Hölle am besten zunutze machen konnte. »Wie viel Zeit bleibt mir noch, bevor ich da runter muss?«
Jarvis schaute auf die Uhr. »Siebenundvierzig Minuten. Danach erlischt die Vorladung, und man könnte dich ins Fegefeuer werfen, weil du einer direkten Order eines Höllendieners nicht Folge geleistet hast«, fügte Jarvis eilig hinzu.
»Ein Glück, dass ich gerade jetzt zu Besuch gekommen bin.« Es war erstaunlich, wie das Schicksal solche Sachen scheinbar immer wieder hinbog.
»Ja«, meinte Jarvis und beäugte mich wie ein außerirdisches Wesen, dessen Handlungsweisen er nicht im
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