Benson, Amber - Jenseits GmbH 2 - Einmal Tod ist nicht genug
meiner Mutter, immer dann hervorzauberte, wenn er gerade gute Laune hatte.
Im Ernst, man konnte Declans Gemütslage zuverlässig an dem erkennen, was im Kühlschrank für einen bereitstand. Fette Hausmannskost bedeutete, dass er einer seiner berüchtigten finsteren Launen anheimgefallen war, während leichtere, gesündere Mahlzeiten einen sonnigeren Gemütszustand anzeigten. Fragt mich nicht, warum.
Wie dem auch sei, Jarvis wirkte so zufrieden mit seiner künstlerischen Schöpfung, dass er das Brot behutsam in zwei Hälften schnitt und mir eine davon anbot. Da ich nichts außer einem ekligen, gummiartigen Frühstückswrap am Bahnhof gegessen hatte, verkniff ich mir eine ironische Bemerkung darüber, dass er als Faun Ziegenkäse aß. Stattdessen konzentrierte ich mich darauf, mir meine Hälfte des köstlichen Sandwichs so schnell wie möglich einzuverleiben.
»Das war lecker«, sagte ich, während Jarvis mir eine Papierserviette reichte, mit der ich mir, so gut es ging, die Krümel vom Gesicht wischte. »Gibt es was Gutes zu trinken im Kühlschrank?«
Ich ging an die Kühlschrank-Gefriertruhen-Kombination – die meine Mutter extra in Nantucket-Weiß bestellt hatte, damit sie zu den weißen Schränken im Shaker-Stil und zu den schwarz-weiß geäderten Marmorarbeitsflächen passte – und öffnete die Tür zur Kühlschrankhälfte. Ich fand einen großen Krug hausgemachter Erdbeerlimonade und stellte ihn auf die Küchenanrichte. Dann holte ich mir ein schlankes, schimmerndes Glas aus einem der Schränke und goss mir eine schmackhafte Kostprobe ein.
»Du bist wie ein zwölfjähriger Bengel«, bemerkte Jarvis, nachdem ich gierig meine Limonade runtergestürzt und zum Abschluss laut gerülpst hatte.
»Tut mir leid«, sagte ich und nahm die Hand vor den Mund. »Himmel, hatte ich einen Hunger!«
Jarvis, der nach wie vor an seinem Brot knabberte, schaute mich an und hob eine Braue. »Du siehst nicht gerade aus, als wärst du am Verhungern, Herrin Calli …« Eilig schloss er den Mund. Es bereitete ihm Unbehagen, dass er meinem Namen kein »Herrin« voranstellen durfte, und oft rutschte ihm die unterwürfige Anrede noch heraus.
Während seiner Zeit als mein Assistent hatte ich ihm verboten, mich Herrin Was-auch-immer zu nennen. Jarvis bestand wahnsinnig gern auf Ritualen – ich glaube, sie gaben ihm das Gefühl, die Situation immer unter Kontrolle zu haben. Aber ich hatte ihm seinen Willen nicht gelassen und beharrte darauf, dass er mich Callie nannte oder allerhöchstens Miss Calliope – was wenigstens nur so klang, als wäre ich eine Grundschullehrerin oder eine Hauptfigur in einem Jane-Austen-Roman – ihr habt die Wahl.
»Miss Calliope, ich wollte gerade sagen, wie wohlgenährt du dieser Tilge aussiehst«, setzte Jarvis erneut an und bedachte mich mit einem einschmeichelnden Lächeln. Für jemanden, der nur selten Hosen trug (warum auch Hosen tragen, wenn man Hinterläufe statt Beine hat?) und an einem guten Tag einen Meter fünfzig maß, war Jarvis ein verdammt selbstsicherer kleiner Teufelskerl. Ob nun mit Hosen oder ohne, wahrscheinlich wusste er, dass er mir gehörig den Hintern versohlen konnte, wann immer er wollte.
Ich bedachte ihn mit einem gehässigen Blick, den ich absolut ernst meinte – na schön, vielleicht nicht absolut, denn schließlich ist allgemein bekannt, dass in jedem schnippischen Spruch ein Körnchen Wahrheit steckt. Und ich hatte mich in letzter Zeit tatsächlich mehr als üblich an den Backwaren in der Büroküche gütlich getan, also war vielleicht etwas an Jarvis’ Worten dran … Aber ich hoffte inständig, dass dem nicht so war. Ich konnte es mir nicht leisten, Pfunde zuzulegen, wenn ich nicht nackt rumlaufen wollte. Und das meine ich wörtlich – ich hatte wirklich nicht das Geld, um mir neue Sachen zu kaufen, sollte ich aus den Nähten der alten platzen.
Die Fettbemerkungen mal beiseitegelassen, war ein bisschen verbales Hickhack in meinem Verhältnis zu Jarvis ein alter Hut. Ich wusste, dass er mir nur deshalb blöd kam, weil er mich mochte. Ansonsten hätte er sich gar nicht erst dazu herabgelassen, mit mir zu reden, dieser eingebildete kleine Mistkerl.
»Das Gleiche könnte man auch über dich sagen, Jarvi.« Ich erwiderte sein Lächeln und zeigte dabei möglichst viele Zähne. »Es überrascht mich, dass Declan dich nicht für einen Grillbraten gehalten und in den Ofen gesteckt hat.«
»Touché«, antwortete er und nickte anerkennend.
Ich muss gleich vorwegschieben,
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