Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse
von Königin Philippa. Père wurde während der Großen Pest als Arzt an Edwards Hof geschickt, von de Chauliac persönlich. So kreuzten sich unsere Wege das erste Mal.«
Karle riß schockiert den Mund auf. Als er sich wieder gefaßt hatte, sagte er: »Eine Prinzessin? Du bist eine Prinzessin von England? «
»Nein! Du verstehst nicht! Ich bin nichts. Nichts. Ein Bastard, verachtet von allen, die irgend etwas mit mir zu tun hatten. In sehr zartem Alter wurde ich von meiner Mutter getrennt und in den Haushalt meiner Stiefschwester Isabella geschickt, die die wahre Tochter meines Vaters und seiner Königin ist. Ich war kaum mehr als eine Sklavin für sie; einzig meine Kinderfrau ging freundlich mit mir um. Gott segne sie, und sollte sie verstorben sein, so möge der Himmel sie aufnehmen. Und eine der Hofdamen meiner Stiefschwester, Adele! Sie war mir mehr Schwester als Isabella. Die Königin, der König und all meine königlichen Brüder und Schwestern haben mich behandelt wie kalte Asche aus dem Herd!«
»Was ist mit deiner Mutter? Konnte sie nichts für dich tun?«
»Die Königin verbot es. Das war ihre Rache an meiner Mutter, weil sie dem König gestattet hat, sie in sein Bett zu nehmen – obwohl ich nicht verstehe, wie sie dem hätte entgehen können. Und dann, ich war erst sieben, wurde sie von der Pest dahingerafft.«
»Das hast du mir erzählt. Mon Dieu « , wiederholte er mit offenem Mund, »das ist wirklich eine außergewöhnliche Geschichte. Niemals hätte ich so etwas erwartet …«
»Das Erstaunlichste ist, daß ich noch am Leben bin und dir davon erzählen kann!« Sie zögerte einen Moment und insistierte:
»Jetzt muß ich dich noch einmal um das Versprechen der Verschwiegenheit bitten, sonst kann ich nicht weiter berichten.«
»Du hast es – aber kann denn noch Unerhörteres kommen?«
»Vielleicht wirst du es so sehen, oder auch nicht.« Sie atmete tief ein und sagte dann schnell: » Père ist ein Jude.«
Schockiertes Schweigen. Dann flüsterte er: »Das kann nicht stimmen. Ich würde es wissen.«
»Wieso?«
»Ich hätte es an seinem … Verhalten … erkannt. Und er weist keines der Merkmale eines Juden auf.«
»Doch – eine Narbe! Auf der Brust. Ein kreisförmiges Brandzeichen.«
Als er sich an die erste Nacht in jener Hütte erinnerte, fiel ihm ein, daß er die seltsame Narbe bei dem Mann eher für eine überwundene Krankheit gehalten hatte. Doch zu der Zeit wirbelte ihm zuviel anderes durch den Kopf, als daß er weiter darüber nachdachte; seine Männer starben, er selbst war auf der Flucht und wurde gejagt. »Das eine Mal, als ich ihn ohne Hemd sah, wandte er sich von mir ab. Jetzt verstehe ich, warum.« Nach einem verwirrten Augenblick fragte er: »Aber wie kam es dann, daß de Chauliac ihn nach England geschickt hat?«
»De Chauliac hat es nicht gewußt, weil Père seine Identität verschwieg. Er trug den Namen eines toten Gefährten, eines Soldaten, mit dem zusammen er Spanien verlassen hatte.«
»Warum?«
»Weil er dort einen Bischof getötet hatte.«
»Einen Bischoff Und trotzdem läuft er noch ungefoltert durchs Land?«
»Ich schwöre, daß es wahr ist. Und du mußt mir glauben, Karle – er hatte jedes Recht zu dieser Tat.«
»Aber ein Bischof … das ist wahrhaftig eine schwere Sünde.«
»Und die Erinnerung daran belastet ihn Tag für Tag. Der verfluchte Kirchenfürst hatte ihn und seine Familie ruiniert; nur wegen der Exhumierung eines Leichnams, eines Mannes, den Père von einem schrecklichen Leiden zu heilen versucht hatte. Er mußte unbedingt herausfinden, warum dieser Mann gestorben war. Also nahm er den Leichnam aus dem Grab …«
» Mon Dieu! « stöhnte Karle.
»Karle – du mußt versuchen zu verstehen – wenn man so leidenschaftlich nach Wissen strebt wie Père, ist man oft gezwungen, Gefahren auf sich zu nehmen. Und er hat seinen Drang nach Erkenntnis teuer bezahlt. Seine Familie wurde aus Cervere vertrieben, ihr Hab und Gut beschlagnahmt – sie mußten Spanien in der schlimmsten Pestzeit verlassen.« Sie ließ ein wenig den Kopf sinken. »Er weiß nicht, ob sein Vater oder seine Mutter die Flucht überlebt haben – sie waren damals schon alt, und es liegt bereits zehn Jahre zurück.«
»Da geschieht es ihm nur recht, wenn er dieses Verbrechen teuer bezahlt hat.«
Kates Wangen waren von brennendem Zorn gerötet, aber sie beherrschte sich mühsam. » Père weiß, daß er eines Tages für seine Taten verurteilt werden wird. In seinen heiligen Büchern
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