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Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse

Titel: Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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wiederkommen. Von diesem Augenblick an ist das deine Bürde.« Dann fuhr er in sanfterem Ton fort: »Adele ist seit vielen Jahren nicht mehr bei mir. Und trotzdem spüre ich den Schmerz noch immer. Aber ich habe dich. Wir haben einander – und bald dein Kind! Jetzt müssen wir handeln, damit dein Sohn auf eine Welt kommt, wo er besser heranwachsen kann.«
    Der Kummer wich nicht von ihrem Gesicht, und sie war schrecklich benommen, aber wischte tapfer ihre Tränen ab. Vater und Tochter umarmten einander einen Moment, der der letzte ruhige Augenblick des Tages sein würde. Als sie sich losließen, ging Alejandro zur Tür und öffnete sie. Er schaute nach draußen durch die Bäume zur Straße, und ihm stockte der Atem.
    Die Verwundeten lagen bereits zu zweit übereinandergestapelt im Schlamm der Straße jenseits des Langhauses; entweder hatten sie sich selbst dorthin geschleppt und waren zusammengebrochen, oder man hatte sie gebracht und dort abgelegt. Durch die offene Tür waren ihre Schreie deutlich zu hören. Alejandro wandte sich kopfschüttelnd nach Kate um. »Wir müssen sie behandeln, wo sie liegen«, beschied er ihr.
    Sie rafften alles zusammen, was sie tragen konnten, und gingen zum Straßenrand. Einen nach dem anderen legten sie die Verwundeten dicht nebeneinander in ordentliche Reihen. Einige waren bereits gestorben, und sie trugen sie zu einer entfernteren Stelle unter den Bäumen, wo sie sie aufeinanderhäuften. Diejenigen, die sofort und gründlich behandelt werden mußten, legten sie in eine Reihe; die mit Wunden, welche nicht unbedingt tödlich waren, in eine andere – diejenigen mit hoffnungslosen Verwundungen in eine dritte.
    Sie begannen bei jenen, die am verzweifeltsten Behandlung brauchten; bei jedem neuen Opfer schätzte Alejandro mit einem schnellen Blick den Grad der Verletzung ein und ordnete an, den Mann in die entsprechende Reihe zu legen. Amputationen wurden ohne Laudanum binnen Sekunden vorgenommen und die Stümpfe mit dem Teil den Kleidungsstücks abgebunden, das nach der Entfernung des Glieds nicht mehr benötigt wurde. Die abgetrennten Gliedmaßen selbst wurden auf den Leichenhaufen geschichtet, damit das herauslaufende Blut die Straße nicht in einen Fluß aus rotem Schlamm verwandelte. Alejandro wies Kate an, sie solle ins Langhaus gehen und genug Holz für ein Feuer bringen, es mit einer Kohle aus dem Herd anzünden und dann, wenn es lichterloh brenne, rohe Kohlen herausnehmen und damit die blutenden Stümpfe ausbrennen.
    Alejandro nahm das Schwert eines Gefallenen, hielt es ins Feuer und zog es erst wieder heraus, als es rot glühte. Er behandelte hundert Wunden der Eingeweide, indem er das Schwert auf die klaffenden Öffnungen drückte, um die Blutung zu stoppen und die Fäulnis zu verhindern, die sonst mit Sicherheit folgte. Nach jeder Verwendung hielt er das Schwert erneut ins Feuer, um es zu reinigen. Oft wollten die Verwundeten nichts weiter, als daß jemand für sie betete. Sie trachteten nur danach, bei ihren Kameraden zu sterben und nicht allein auf dem Schlachtfeld, zertrampelt von Pferdehufen und verhöhnt von den Soldaten Navarras. Also kniete Kate sich jeweils neben den Getroffenen und flüsterte: »Gegrüßet seist du Maria, der Herr ist mit dir!« Das war Laudanum für die Seelen, während sie in den Frieden entschwanden, der auf der anderen Seite lag.
    Die Stunden vergingen wie Minuten. Die Verwundeten zählten schon mehr als tausend, als Alejandro aus dem Wald westlich der Straße das beharrliche Stampfen von Hufen hörte. Er erhob sich von der momentanen Versorgung, um zu sehen, wer da kam – denn es war gewiß mehr als ein Reiter. Noch waren sie zu weit entfernt, so daß er sie nicht erkennen konnte; aber die Pferde klangen frisch, und das bedeutete, daß es Feinde sein mußten. Die Pferde der Jacques würden inzwischen alle erschöpft sein, viele gewiß auch gefallen. Er sah sich nach Kate um, die auf der anderen Straßenseite für einen weiteren Sterbenden betete.
    »Kate!« schrie er.
    Sie blickte von ihrem Patienten auf.
    »Bring dich im Langhaus in Sicherheit! Diese Reiter gehören nicht zu uns. Eile dich, jetzt sofort! «
    »Aber, Père … «
    » Gehorche! «
    Sie raffte ihren blutigen Rock zusammen und rannte zwischen den Bäumen hindurch zum Langhaus.
    Nur Augenblicke nach ihrem Verschwinden ritten der Baron de Coucy und Charles von Navarra selbst aus dem Wald. Sie lenkten ihre Pferde zwischen den Reihen der Verwundeten hindurch und achteten kaum darauf,

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