Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse
Alejandro zu bringen, schien Grund genug, den Spießrutenlauf durch Hallen und Gänge und Treppenhäuser in sein Zimmer auf sich zu nehmen.
Doch als sie in Sichtweite der neu eingerichteten Sicherheitsstation mit ihrem Scanner aus glänzendem Chrom und Plastik kam, geriet ihre mutige Entschlossenheit auf einmal ins Wanken. Die Wachen trugen das vertraute, aber gefürchtete Grün, und als sie sie in einer Gruppe beieinander sah, mußte Janie unwillkürlich an den Flughafen Heathrow denken, wo sie im Zwischengeschoß wie Scharfschützen gleichsam über einem Bassin mit Fischen gestanden hatten, bereit, jeden herauszuangeln, der sich auffällig benahm.
Als sie näherkam, wies einer der Cops auf den Identitätssensor. Janie trat also vor und führte ihre Hand mit der Handfläche nach unten unter dem Laserscanner durch. Der Cop reichte ihr eine Gesichtsmaske. Sie nahm sie und setzte sie auf. Dabei wurde kein Wort gewechselt.
Durch eine weitere Serie von Handzeichen wurde sie dann angewiesen, vorzutreten und den eigentlichen Scanner zu passieren. An dieser Stelle würde man sie fassen, wenn dazu ein Grund auftauchte, obwohl noch niemand recht wußte, wo diesmal die Internierungslager waren. Binnen weniger Tage, wußte Janie, würde irgendein aufgeregter Angehöriger mit politischem oder finanziellem Einfluß die Information aus einem Zivilbeamten herausgeholt haben, der mit den Nerven am Ende war und sich darauf vorbereitete, seinen Posten für die erhoffte Sicherheit im Hinterland zu verlassen – jemand, der sich um die Konsequenzen seines Verrats nicht mehr scherte.
Bis es dazu kam, würde sie sich in dem Versteck am Fuß der Berge befinden, und niemand würde ihr mehr schaden können. Irgendwann würde auch sie erfahren, wohin die Infizierten gebracht wurden.
Obwohl es keinerlei Unterschied machte, ob man das wußte oder nicht.
Der Alarm ertönte nicht, und Janie wurde durchgewinkt. Sie rannte den Gang hinunter, wobei ihre Schritte auf dem harten Fliesenboden widerhallten. Dann hastete sie die Treppen hinauf, den Aufzug mit seiner recycelten Luft verschmähend. Die Türen zu allen Zimmern waren geschlossen, aber noch trug keine das tödliche grüne Klebeband, das schreckenverbreitende Zeichen der Quarantäne. Trotzdem kam ihr das Gebäude verlassen und unheimlich vor, und als Janie Abrahams Zimmer erreichte, trat sie einfach ein und zog schnell die Tür hinter sich zu.
Obwohl verschlossene Türen auch nichts abhalten konnten.
Sie fand Mrs. Prives neben dem Bett, genau da, wo sie sie erwartet hatte. Sie umklammerte die Hand ihres Sohnes, als wolle sie festhalten, was immer an Lebensgeistern noch in ihm steckte. Als die Mutter Janie sah, trat ein fast schmerzlicher Ausdruck von Erleichterung auf ihre Züge.
»Oh, Gott sei Dank, daß Sie hier sind! Alle anderen scheinen einfach verschwunden zu sein.«
Janie trat an das Bett und legte eine Hand auf die Schulter der verstörten Frau, obwohl sie wußte, daß das nur ein kleiner und unbedeutender Trost sein konnte. »Da draußen geht es allmählich verrückt zu«, sagte sie, mit dem Kopf auf die Tür weisend. »MR SAM …«
»Soviel weiß ich auch«, unterbrach die Frau sie abrupt.
Mrs. Prives’ Stimme klang ein wenig hilflos, und Janie hielt einen Moment inne.
»Ist schon irgend jemand gekommen, um mit Ihnen zu sprechen?«
»Nein. Es ist irgendwie überhaupt keiner mehr da. Allmählich kriege ich Angst – ich wünschte, ich wüßte, was hier eigentlich geschieht.«
»Ich glaube, jeder, der weggehen konnte, hat das schon getan«, informierte Janie sie. »Und ich kann keinem verübeln, daß er verschwindet. Sobald ich hier fertig bin, werde ich auch nach, eh, nach Hause fahren.«
»Aber wer kümmert sich dann um Abraham, wenn alle weglaufen?« Ihre Stimme war am Kippen.
»Deswegen bin ich ja hier«, sagte Janie. »Man wird sich um ihn kümmern, das verspreche ich.«
Sie öffnete ihre Tasche und nahm die kleine Phiole heraus, die sie mitgebracht hatte.
Mrs. Prives musterte das Gläschen mit besorgtem Blick. »Was ist das?« fragte sie nervös.
Janie sagte das Einfachste, was ihr einfiel, in der Hoffnung, es werde ausreichen. »Das ist eine Genwäsche von einem Spender, den wir nach eingehender Suche gefunden haben. Hier drin ist ein Schnipsel DNS, der einen beschädigten Strang in Abrahams Genen ersetzen wird. Der Schaden ist schon vor langer Zeit passiert. Dies wird den Bruch nicht heilen, den er bereits hat; aber es kann verhindern, daß Abraham sich
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