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Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse

Titel: Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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einer mit ausgestochenen Augen und herausgerissener Zunge. Jedes neue Grab, das sie mit ihren jämmerlichen Stöcken und Steinen aushoben, war flacher als das vom Vortag, und ihnen wurde klar, daß die Fortsetzung ihrer Reise womöglich nur aus weiteren mühsamen Begräbnissen bestehen würde. Zusammen lösten sie den Mann vom Baum und legten ihn sanft auf die Erde. Mit der Spitze seines Stiefels schob Karle die Eingeweide wieder zusammen, bis sie auf dem Bauch des Bauern lagen.
    »Warum in Gottes Namen müssen sie die armen Menschen so grausam quälen?« fragte Kate sich laut. »Warum töten sie sie nicht einfach und geben sich damit zufrieden?«
    »Das ist eine Frage, die vielleicht sogar der Schöpfer nicht beantworten kann«, grollte Karle. »Navarra hat aus seinen Rittern eine Horde von Schlächtern gemacht.« Erschöpft sah er Kate an.
    »Sollen wir auch diesen begraben?«
    »Habt Ihr noch Kraft? Ich ganz gewiß nicht mehr.«
    »Aber wir können ihn nicht einfach liegen lassen!«
    »Wenn wir jeden verstümmelten Leichnam begraben, dem wir begegnen, werden wir Paris nie erreichen!« Kate wankte vor Müdigkeit.
    Er wußte, daß sie recht hatte. Ergeben setzte er sich auf einen abgefallenen Ast. »Wie sollen wir das überstehen? Es scheint so hoffnungslos.«
    Sie schwieg einen Moment und setzte sich dann neben ihn. »Ihr müßt dieses Feuer mit Eurem eigenen Feuer bekämpfen«, entgegnete sie dann.
    Karle warf ihr einen düsteren Blick zu. »Ich verstehe nicht. Wir sind kleine Kerzen – mit einem Lufthauch auszublasen. Navarra ist eine flammende Fackel und schwer zu löschen.«
    Zögernd streckte sie eine Hand aus und legte sie auf seine Schulter in der Hoffnung, ihn zu trösten. »Das verstehe ich. Aber es bietet sich an, ihn mit seinen eigenen Methoden zu bekämpfen. Der beste Weg, einen Angriff zu beantworten, ist ein ebensolcher Angriff.« Sie dachte einen Augenblick nach und fügte hinzu: »Ich werde Euch etwas sagen, das ich von Père weiß.«
    Karle stöhnte. »Jetzt ist kaum der richtige Zeitpunkt für eine weitere von euren ›Père-Geschichten‹!«
    »Hört diese erst an, bevor Ihr sie als nutzlos abtut. Erinnert Ihr Euch, daß er mich von der Pest geheilt hat?«
    »Jaja! Ich weiß noch immer nicht, ob ich das glauben soll.«
    Ihr Gesichtsausdruck verhärtete sich. »Ihr tätet gut daran, es nicht zu bezweifeln. Man kann eine große Lehre daraus ziehen, eine Lehre, die Euch dient, wenn Ihr klug genug seid, sie zu begreifen. Seht Ihr, er hat mir erzählt, daß er den Staub der Toten benutzt hat, um mich zu heilen – das getrocknete und pulverisierte Fleisch derer, die vor mir an derselben Krankheit gestorben waren. Deswegen habe ich die Hand dieses an der Pest eingegangenen Kindes an mich genommen, um das Fleisch zu trocknen! Es ist ein Geheimnis, das ihm eine sehr tüchtige Hebamme namens Sarah verriet, dieselbe, die meine Mutter von mir entbunden hat.«
    Karle stieß einen langen, enttäuschten Seufzer aus und begrub das Gesicht in den Händen. »Natürlich meint Ihr, diese Hebammengeschichten wären für meine Lage von Bedeutung, aber ich verstehe trotzdem nicht …«
    Sie unterbrach seinen Protest. »Denkt doch nach, Karle! Bedenkt die Logik darin. Was könnte klüger sein, als die Pest mit der Pest zu bekämpfen? Genauso müßt Ihr gegen diesen Navarra vorgehen.«
    »Sollen wir ihn mit Krankheiten anstecken?« fragte er sarkastisch.
    »Das ist keine so dumme Vorstellung, wie Ihr vielleicht annehmt. Aber das habe ich nicht gemeint.« Ihre Augen funkelten vor Erregung und Entschlossenheit. »Ihr müßt für ihn dieselbe Plage werden, wie er für Euch! Er ist geschult, hat Waffen und führt seine Streitkräfte militärisch straff. Ihr müßt das genauso machen.«
    »Unmöglich können wir es ihm gleichtun!«
    »Aber Ihr könnt ihm auf eine ähnliche Art begegnen, soweit das möglich ist – statt wie die Ratten vor einem Rudel Hunde davonzuspritzen.«
    Lange dachte er schweigend über das nach, was sie gesagt hatte. In der Stille konnte sie das Summen der Fliegen hören, die den Leichnam des Bauern umschwirrten und auf ihm ihre Eier in die nasse Wunde legten. Eine nahe Krähe krächzte ihren entfernten Brüdern eine Einladung für das wartende Festmahl zu.
    »Vereinigt Eure Anhänger«, drängte sie ihn. »Laßt sie zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort zusammenkommen und befehlt ihnen, alles mitzubringen, das man als Waffe benutzen kann. Findet irgend etwas, das einer Fahne ähnelt, und

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