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Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse

Titel: Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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gefangennahm; denn sein Geist konnte sich diesen sinnlichen Luxus im Moment nicht erlauben. Es galt, die Bedeutung eines Wortes aufzuklären.
    » Maranatha « , sagte er vorsichtig zu dem ersten Priester, der ihm begegnete. »Was bedeutet das?«
    Doch der Priester, eine abgerissenere Erscheinung, als er in dieser Kathedrale erwartet hätte, starrte Alejandro nur an und ging weiter. Der nächste lächelte wenigstens. »Gott wird es wissen, mein Sohn, aber ich ganz sicher nicht.« Alejandro war dankbar für die Freundlichkeit des Mannes, aber enttäuscht über seinen Mangel an Wissen. Der dritte schüttelte einfach den Kopf und zuckte mit den Schultern. Der Arzt war um nichts klüger als vor den kurzen Begegnungen.
    Also muß ich mich doch zur Universität begeben, dachte er mit leiser Enttäuschung; obwohl ihn die Vorstellung erregte, hatte er gehofft, es würde sich erübrigen – denn nun bliebe er der Rue des Rosiers länger fern, als ihm lieb war. Er schaute zur Sonne empor; sie stand noch hoch genug, um einen kurzen Gang über die Seine zu gestatten. Daher trat er aus den Schatten von Notre Dame und überquerte die Brücke zur rive gauche.
    Es erstaunte ihn, daß in solchen Zeiten noch studiert wurde, aber ringsumher gab es unverkennbare Anzeichen dafür. Gewiß waren es weniger als in Friedenszeiten, doch er sah viele junge Männer in den schlichten Gewändern frischgebackener Studenten. Und einige trugen sogar Bücher bei sich! Er hatte von Büchern namens incunabula flüstern hören, mit Seiten, die aus zerkleinertem Holz hergestellt waren, beschrieben mit Fett und Ruß und dann gebunden – doch solche Wunder, hatte er gedacht, existierten nur im Orient. Konnte es das sein, was diese jungen Männer trugen? Wie wundervoll, wenn es wahr wäre! Sie saßen an kleinen Tischen und lehnten an Mauern, tranken den billigsten Wein, den die Schenken austeilten, und tauschten mit der eifrigen Gewißheit der Jugend Meinungen aus, obwohl ihm rätselhaft war, wie die Jugend sogar von Pestilenz, Krieg und Hungersnot unberührt bleiben konnte. Dann erinnerte er sich an die rauschhafte Zeit seiner eigenen Studententage, und alles wurde ihm klar. Damals hatte er sich unsterblich gefühlt, unerschütterlich. Er hatte keinen Deut davon gespürt, was vor ihm lag.
    Jetzt kam er an einer schönen Villa vorbei, so auffallend inmitten all der kleinen, alten Häuser ringsum, daß er einen Moment stehenblieb, um sie zu bewundern. Die soliden Steinmauern zogen ihn an, und fasziniert musterte er die Details der Ausstattung des eleganten Gebäudes. In allen Fenstern befand sich Glas. Auf diese Weise konnten die Bewohner die Segnungen des Lichts ohne die Plage des Windes genießen.
    Nachdem er das neue Gebäude eingehend betrachtet hatte, ging er in Richtung Place de la Sorbonne. Bald war er vom süßen Klang von Latein umgeben; denn in dieser alten und ewigen Sprache verständigten sich die Gelehrten Europas, die sich in Paris versammelten, miteinander. Von allen Idiomen, die er beherrschte, war ihm Latein bei weitem das liebste – denn es floß ihm weich wie ein Kuß von der Zunge und war den Ohren des Zuhörers angenehm. Nur wegen seines flüssigen Lateins war es ihm gelungen, die schwierige und mühselige Sprache des englischen Volkes zu erlernen, die sich so freimütig Worte ausborgte. Wieso dieses Englisch stets beliebter wurde, begriff er nicht; alle waren sich darin einig, daß es sich zu höfischem Gebrauch schlecht eignete. Es war einfach zu häßlich. Kate sprach es recht gut, aber Reste davon färbten ihr Französisch, und er hatte sie oft ermahnt, ihre Ohren besser zu spitzen.
    Ob die englische Sprache wohl ein Wort oder einen Ausdruck besaß, der dasselbe bedeutete wie das geheimnisvolle Maranatha? Vermutlich nicht. Der Mangel an Tiefe wird schließlich ihr Untergang sein, dachte er. Aber im Lateinischen wird es sicherlich eine Entsprechung geben.
    Er kam an einer Gruppe Gelehrter in Talaren vorbei, verlangsamte seine Schritte und wandte sich nach ihnen um. Einige drehten ihm den Rücken zu. Nicht weit entfernt standen zwei Soldaten, die beide gelangweilt und fehl am Platze wirkten. Alejandro hielt es für wahrscheinlich, daß keiner von ihnen verstand, was die nahen Gelehrten sprachen. Und es würde sie auch nicht interessieren.
    Warum also nicht einfach fragen? Es bestünde keine Gefahr, wenn er sie auf lateinisch ansprach. Sie dächten bestimmt, er sei einer von ihnen, wenn auch ärmlich gekleidet, vielleicht ein reisender

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