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Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse

Titel: Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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haltet es vor ihrer Versammlung hoch! Dann werden sie sich als Soldaten fühlen – und fangen an, sich wie Soldaten zu verhalten!«
    Das war etwas, woran er noch nie gedacht hatte. Sie waren Jacques, keine Soldaten, »Die Männer sind einfache Bauern und wissen nichts von solchen Dingen.«
    »Dann unterrichtet sie!« fiel Kate ihm ins Wort. »Sogar Bauern können lernen, Soldaten zu sein, wenn man sie richtig unterweist.«
    »Aber wer – und wie?«
    »Unterschätzt Euch nicht, Karle. Oder die Männer, die Euch folgen würden. Euer Feind wird solches Handeln nicht von Euch erwarten. Das verschafft Euch einen Überraschungsvorteil.«
    Selbst in Meaux waren sie, obwohl so viele an der Zahl, ihrer eigenen Unordnung erlegen. Dabei war der Sieg zum Greifen nahe! Hätten sie ihn errungen, wenn sie marschiert wären wie eine richtige Armee, in Reihen, mit Führern und einer Kriegsstrategie?
    Zu seiner Verwunderung dachte Karle: Es wäre möglich gewesen. Es war in der Tat einfach und nur zu offenkundig. Warum hatte er nicht früher daran gedacht? Die Zahl der Toten nach diesem Mißerfolg … und noch mehr waren bei dem grausamen Rachefeldzug umgekommen, der auf dem Fuße folgte. Könnten sie vielleicht noch leben?
    »Ihr mögt recht haben«, räumte er in stiller Erregung ein. Er musterte ihr junges Gesicht, suchte nach der Quelle ihres umfassenden Wissens. »Wie kommt es, daß Ihr diese Dinge über den Krieg wißt, obwohl Ihr noch ein so junges Mädchen s eid?«
    Ihr Gesicht nahm den Ausdruck trauriger Ironie an. »Als ich noch e in kleines Mädchen war, sprachen die Männer, die in unserem Haus verkehrten, kaum von etwas anderem als Krieg. Meistens beachteten sie meine Fragen nicht, denn sie waren ihnen lästig, und die Dinge, die ich zu sagen hatte, interessierten sie nicht. Also hatte ich selten eine andere Wahl als zuzuhören, wenn sie redeten. Und alles drehte sich stets um Krieg, Waffen, Strategien, Soldatenhandwerk. Vielleicht ist ein bißchen von ihren Kenntnissen auf mich übergegangen.«
    »Das scheint so. Und durch Euch werden sie nun auf mich übergehen …« Aufgewühlt rieb er sich die Hände. »Und jetzt werde ich meine neuerrungene Weisheit benutzen, um sogleich Kurs zu nehmen auf Paris, wie es Euer Wunsch ist«, erhob er seine Stimme.
    »Dort gibt es Männer, die mir helfen werden, eine solche Strategie zu entwickeln.«
    Kate unternahm keinen Versuch, ihre Freude zu verbergen.
    »Endlich!« Sie klatschte in die Hände.
    »Das ist das Vernünftigste, was ich tun kann. Ihr habt mich überzeugt, daß ich allein nichts mehr erreichen kann. Ich muß Etienne Marcel um Rat und Hilfe bitten.«
    »Wen?«
    Verblüfft starrte er sie an. » Marcel! Wie kann ein so gebildetes Mädchen wie Ihr den Namen des Bürgermeisters von Paris nicht kennen?«
    Erheitert zuckte sie die Schultern. » Père verabscheut die Politik. Er sprach nicht von solchen Dingen, während ich ›im Wandschrank eingesperrt war‹.«
    »Dann werde ich Euch unterwegs davon erzählen. Ihr dürft nicht unwissend bleiben.«
    Er verschränkte die Hände und bot sie ihr dar; bereitwillig stellte sie ihren Fuß hinein. So half er ihr beim Aufsitzen. Dann bestieg er sein eigenes Pferd. »Und wenn wir Euren père in Paris treffen, muß ich ihm unbedingt sagen, daß er Euch gestatten soll, mehr von der Welt zu sehen.«
    Sie wandte sich noch einmal nach dem Toten um. »Ich glaube, ich habe mehr davon gesehen, als mir lieb ist.«

    Alejandro ging in westlicher Richtung durch die Rue des Rosiers zur Rue du Vieux Temple. Im Vorbeigehen hielt er an jeder Tür nach Spuren der willkommen heißenden Mesusahs Ausschau, die einst dort gehangen hatten. Alle waren entfernt worden. Er sah nur noch schwache Umrisse davon, denn die Ränder waren abgewaschen oder das Holz gekalkt worden – wenn sich jemand einen solchen Luxus leisten konnte. Er fragte sich, was sich die jüdischen Hausfrauen von Paris gedacht hatten, als sie sich bemühten, die Zeichen zu entfernen, die den betreffenden Hausbewohnern zum Verhängnis geworden waren. Hatten sie alle gleichzeitig auf den Straßen ihr Schicksal gemeinsam beklagt? Oder hatten sie sich einzeln und verstohlen an die Arbeit gemacht? Nun, es spielte keine Rolle mehr; die Symbole waren verschwunden. Kein Jude in Paris wollte als solcher erkannt werden, denn das brachte nur Not und Elend.
    Aber vage Hinweise gab es noch, wenn man wußte, wohin man schauen mußte. Er hatte diesen Stadtteil von Paris vor vielen Jahren durch diskrete

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