Benson, Ann - Alejandro Canches 02 - Die brennende Gasse
gehalten hatte. Im Moment schaffte sie es jedoch nicht, über alles nachzudenken, und wandte sich mit entmutigter Miene an Tom. »Weißt du was? Ich gehe einfach ins Bett. In mir herrscht der totale Nullzustand.«
Er zog einen Stuhl unter dem Küchentisch hervor und setzte sich. »Ich bleibe, bis du eingeschlafen bist.«
»Hast du denn Zeit? Was ist mit deiner Arbeit?«
»Ich habe meine Aktenmappe im Wagen. Also geht es.«
»Du rettest mir pausenlos das Leben. Ich frage mich immer, was ich getan habe, um das zu verdienen.« Sie gähnte und rieb sich die Stirn. »Ich würde dir ja anbieten, dir was zu essen zu machen – aber ich glaube nicht, daß in meinem Eisschrank viel drin ist.«
»Vergiß es. Im Augenblick habe ich keinen Hunger. Ich werde mir später was besorgen, wenn ich gehe.«
»Okay. Also, dann gute Nacht.« Nach einem kurzen Zögern drehte sie sich um und ging durch den Flur.
»Janie …«
»Was?«
Nach einem Moment Schweigen sagte Tom: »Laß die Tür auf. Dann kann ich nach dir sehen. Damit ich Bescheid weiß, wann du wirklich schläfst.«
Tom wollte soeben gehen, als das Telefon zu läuten begann. Obwohl es nicht sein eigenes war, überkam ihn der automatische Drang zu antworten. Vor dem zweiten Läuten nahm er den Hörer ab.
»Hier bei Dr. Crowe«, sagte er zögernd.
Nach einer kurzen Pause ertönte die überraschte Stimme eines Mannes. »Wer ist da?«
»Ich bin Dr. Crowes Anwalt.«
»Tom?«
»Ja.«
»Hier ist Bruce.«
»Oh! Hallo.«
Wieder eine kurze Pause. »Ist Janie da?«
»Ja. Aber sie schläft.«
Bruce schien einen Augenblick lang nach Worten zu suchen. »Es ist – wie spät? – sieben Uhr bei euch da drüben? Oder habe ich mich verrechnet?«
»Nein, das stimmt. Sieben Uhr acht, um genau zu sein. Janie hatte letzte Nacht ein kleines Problem.«
Bruces Beunruhigung war trotz der transatlantischen Entfernung spürbar. »Was für eins?«
»Jemand hat hier eingebrochen.«
»O weh, ist sie in Ordnung?«
»Es geht ihr gut. Sie konnte sich im Badezimmer verstecken – besonders weit hat der Kerl es nicht gebracht. Aber sie ist erschöpft – kurz nach zwei Uhr nachts passierte es, und die Polizei war hier bis zum Morgen. Wenn sie erst einmal ausgeschlafen hat, wird es ihr bessergehen – aber sie ist etwas erschrocken.«
»Ja, und was hat – wer …?«
»Sie wissen es noch nicht. Michael Rosow ist sofort hergekommen, aber sie haben nicht viele Spuren gefunden, und es besteht wenig Aussicht, daß sie jemanden schnappen werden. Außerdem haben sie bloß Janies Computer mitgenommen. Ich schätze, es ging ziemlich schnell. Ihr wird es wahrscheinlich wie Stunden vorgekommen sein.«
Bruce verdaute diese Information ein paar Augenblicke lang schweigend. »Sind Sie sicher, daß sie in Ordnung ist?«
»Den Umständen entsprechend ja. Ich habe sie heute nachmittag aus meiner Kanzlei nach Hause gefahren. Im Moment wollte ich … eh, gerade gehen.«
»Bevor Sie gehen, könnten Sie ihr eine Nachricht von mir aufschreiben?«
»Natürlich.«
»Sagen Sie ihr nur, daß ich angerufen habe. Nein – warten Sie. Notieren Sie noch, daß ich sie liebe.«
Pflichtschuldigst kritzelte Tom die Worte Bruce hat angerufen auf einen Zettel und fügte dann hinzu: Ich liebe dich. Er legte den Zettel auf die Arbeitsplatte in der Küche, wo er gut zu sehen war, dann trollte er sich.
KAPITEL 11
Nachdem das Staatsoberhaupt die Torhüter angewiesen hatte, ihre Wachsamkeit zu erhöhen, wurde es immer schwieriger, die Stadtmauern von Paris zu durchdringen. Ein Tor nach dem anderen war in den letzten paar Tagen geschlossen worden, und jeder, der hineinwollte, war jetzt auf das Wohlwollen der Raufbolde angewiesen, die die Einlässe bewachten. Aber Karle zog diskret Erkundigungen ein und stellte fest, welche von ihnen insgeheim Sympathisanten waren. Danach fand er einen Mann, der ihm öffnete. Sie ließen ihre Pferde bei ihm zurück und versprachen, für deren Versorgung zu bezahlen. Außerdem vereinbarten sie, daß er die Tiere für sich behalten könne, wenn sie innerhalb einer bestimmten Frist nicht zurückkehrten. Der Mann würde also so oder so profitieren, und daher war er nur zu gern bereit, sich gefällig zu erweisen.
Kate beschrieb Karle, welcher Treffpunkt verabredet worden war. »Aber warum gerade dort?« fragte Karle. »Das ist ein Viertel, in dem Juden wohnen.«
Nach einem Augenblick verwirrender Unsicherheit, wie sie ihm das erklären sollte, antwortete Kate: »Weil keiner daran denken
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