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Beobachter

Beobachter

Titel: Beobachter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Link
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blicken lassen. Auf jeden Fall ist es sicherer als dieses Bed & Breakfast in Southend.«
    Samson war voller Erleichterung aus der Pension ausgezogen, deren Tristesse ihn langsam um den Verstand gebracht hatte, aber nun war er seit drei Tagen hier und hatte das Gefühl, vom Regen in die Traufe geraten zu sein. Das schäbige Zimmer am Bahnhof war trostlos gewesen, aber wenigstens hatte man dort aus dem Fenster das Leben und Treiben auf der Straße beobachten können und nicht das Gefühl gehabt, von der normalen Welt vollkommen ausgeschlossen zu sein. Genau dieses Gefühl nämlich bekam man hier. Ein Baugelände irgendwo im Süden von London, auf dem Wohnblocks hochgezogen wurden, wo es aber ansonsten weit und breit überhaupt nichts gab, nicht einmal Ansätze einer Infrastruktur. Wenn Samson die schmuddelige, gelblich verfärbte Gardine beiseiteschob, die sein Wohnwagenfenster verhüllte, so blickte er auf eine Ansammlung von Rohbauten, die ruinenartig in den grauen Winterhimmel ragten. Er sah ein paar Kräne und eine Unmenge fest verschlossener Bauwagen. Diese, genauer gesagt: der in ihnen gebunkerte Inhalt an Maschinenersatzteilen und Werkzeugen, stellten die Objekte der Bewachung dar.
    Wenigstens hatte es erneut so ausgiebig geschneit, dass alles unter einer weißen Decke lag. Regnerisches Schmuddelwetter wäre noch schlimmer gewesen, hätte alles in Schlamm und Dreck und schmutzig brauner Farbe versinken lassen. Aber auch so waren Verlassenheit und Leere dieses Ortes niederschmetternd und trübselig. Manchmal schrien Vögel. Menschen hatte Samson noch nicht ein einziges Mal gesehen, und es verkörperte für ihn den ganzen Irrsinn seiner Situation, dass er sich einerseits nach dem Erscheinen von Menschen sehnte, zugleich aber wusste, dass er genau darüber zu Tode erschrocken wäre: In seiner Lage bedeuteten Menschen Gefahr. Er musste froh sein, hier am Ende der Welt sitzen und sich halbwegs in Sicherheit wiegen zu dürfen.
    Aber wie lange?
    Wie lange würde es dauern?
    Wie lange konnte er das ertragen?
    An diesem Tag war er immerhin zu einem Spaziergang aufgebrochen, hatte die ganze große Baustelle umrundet und trockenes Brot, das er gesammelt hatte, den Vögeln hingeworfen, hatte die frische, kalte Luft tief eingeatmet und erkannt, dass er nicht mehr allzu lange durchhalten würde. Er steckte in einer tiefen seelischen Krise, wahrscheinlich bereits inmitten einer schweren Depression, und mit jeder Stunde, die verstrich, geriet er tiefer hinein, begann zu fühlen, dass vielleicht nicht die Polizei sein größter Feind war, sondern dass die eigentliche Gefahr von ihm selbst ausging, von seiner Schwermut, seiner Verzweiflung, seiner Hoffnungslosigkeit. Kein Ende absehen zu können, das war das Schlimme. Ein paar Mal hatte er seit dem gestrigen Abend darüber nachgedacht, dass der Tod, bei allem Schrecken, der jedem Gedanken an ihn innewohnte, auch eine Erlösung darstellen konnte, und er verstand, dass in solchem Denken das Risiko lag: das Risiko, dass er irgendwann im Verlauf dieses kalten, schneereichen Januars oder eines folgenden ebenso kalten, ebenso dunklen und verschneiten Februars von der Decke seines Wohnwagens hängen würde, weil er die Schreie der Vögel in der Stille, weil er die Leere eines jeden Tages nicht mehr ertrug.
    Als er zum Wohnwagen zurückkehrte, hörte er ein Motorengeräusch und sah Scheinwerfer den unbefestigten Feldweg, der zu der Baustelle führte, entlangkommen. Nach einer kurzen Sekunde des Schreckens entspannte er sich. Er kannte den Motor.
    Es war John, der dort kam.
    Gestern hatte er sich nicht blicken lassen, und heute hatte Samson den ganzen, endlosen Tag über auf sein Erscheinen gehofft. Es war absurd; er konnte den Mann nicht leiden und er wusste, dass dieser mit der Frau schlief, von der er selbst träumte. Aber Burton war der einzige Mensch, auf den er in seiner völligen Isolation hoffen konnte. Der Einzige, der mit ihm sprach, der seinen letzten Kontakt zur Welt darstellte. Er hasste ihn und sehnte ihn zugleich herbei, und allein für diese Sehnsucht verabscheute er dann auch noch sich selbst.
    Er blieb an den Stufen zum Wohnwagen stehen und wartete. Burton parkte und stieg aus, kam auf ihn zu. Groß und breitschultrig in seiner schwarzen Lederjacke, einen grauen Schal lässig um den Hals geschlungen.
    Klar, dass Gillian auf ihn abfuhr.
    Der würgende Kloß in Samsons Kehle verstärkte sich.
    »Sie waren spazieren?«, fragte John. Er hielt einen Stapel Zeitungen und

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