Beobachter
Jahre alt und saß am Computer, als Fielder aufkreuzte. Er scheint nicht sehr gesprächig gewesen zu sein, aber das sind Jungs in dem Alter ja nie. Aber es schien wohl so weit alles in Ordnung mit ihm. Er kam Fielder nicht verstört vor. Auch eher so, als sei die Situation nicht ungewöhnlich für ihn.«
»Hm.« John überlegte. »Was meinst du?«, fragte er dann. »Wie siehst du die Sache?«
»Ich?«, fragte Kate überrascht. Sie schien es absolut nicht erwartet zu haben, von John ernsthaft um ihre Meinung gebeten zu werden. »Ja, also, ehrlich gesagt, ich kann das nicht so richtig einordnen. Eine Ehefrau und Mutter taucht wochenlang unter, und ihr Mann und ihr Sohn leben weiter, als sei nichts geschehen. Ich meine, gerade wenn sie depressiv ist, macht man sich doch eigentlich Sorgen, oder? Selbst wenn sie bislang immer wieder zurückgekehrt ist, würde ich mir doch vorstellen, dass der Moment kommen kann, an dem sie etwas Dummes tut. Sie könnte sich umgebracht haben, und ihre Familie wüsste es überhaupt nicht!«
»Hinzu kommt, dass sie Kontakt zu zwei Frauen hatte, die beide in kurzem zeitlichem Abstand voneinander ermordet wurden. Wie auch Fielder das offenbar sieht: Ein Zufall kann das eigentlich nicht sein«, meinte John nachdenklich.
Er spielte mit seinem Weinglas, zog dann die Hände zurück, als der Kellner an den Tisch trat und jedem einen großen Teller dampfende Pasta hinstellte. Einige Minuten lang aßen sie beide schweigend, was John sehr recht war; so konnte er seinen Gedanken nachhängen.
Ob Stanford glaubwürdig war, konnte er nicht beurteilen, dazu hätte er selbst mit ihm sprechen müssen. Seltsam mutete die Geschichte in jedem Fall an.
Wenn ich weiterhin mitmischen möchte, dachte er, muss ich mit ihm reden.
Als könne sie seine Gedanken lesen, blickte Kate in diesem Moment von ihren Nudeln auf und fragte: »John, ich weiß, das geht mich eigentlich nichts an, aber … warum? Warum willst du das alles wissen? Warum lässt du Fielder nicht einfach seine Arbeit machen? Warum willst du auf eigene Faust Ermittlungen anstellen?«
Er hatte ihr zu Anfang gesagt, dass er Gillian Ward kannte, deren Mann ermordet worden war, und dass daher sein Interesse rührte. Er hatte unerwähnt gelassen, dass er ein Verhältnis mit ihr hatte – oder gehabt hatte?Genau wusste er das derzeit selbst nicht. Er hatte lediglich berichtet, dass er Gillians Tochter im Handball trainierte. Sein Instinkt sagte ihm, dass Kate sich sonst verschlossen hätte wie eine Auster. Sie redete nur, weil sie sich Hoffnungen machte.
»Es macht mir Spaß«, sagte er. Zu seinem Erstaunen erkannte er gleichzeitig, dass diese Antwort absolut der Wahrheit entsprach. Neben allem anderen machte es ihm einfach Spaß. Die Verbindung zu Gillian hatte die Initialzündung dargestellt, aber inzwischen war auch sein Jagdinstinkt erwacht. Er war darin ausgebildet, das zu tun, was er gerade tat, und er merkte, dass ihm seine Arbeit tatsächlich gefehlt hatte. Nicht die Hierarchie der Beamtenlaufbahn, nicht die Intrigen, nicht das Lauern auf Beförderungen. Aber die Arbeit. Die einfache Arbeit an sich.
»Und du weißt«, fügte er hinzu, »ich kenne die Familie Ward. Ich mag die Tochter sehr gern. Das Mädchen ist völlig traumatisiert. Vielleicht steigert das meinen Zorn auf denjenigen, der das alles getan hat.«
Er sah Kate an, dass er sie überzeugt hatte.
»Zwei Dinge hatte ich noch nicht erwähnt«, sagte sie. »Sie wurden auch bislang aus der Presse herausgehalten. Wir wissen, dass sich Carla Roberts in den letzten beiden Wochen vor ihrem Tod auf eine sehr diffuse Weise bedroht fühlte. Sie hat das ihrer Tochter erzählt. Sie lebte ja im obersten Stockwerk eines Hochhauses, und ihr war aufgefallen, dass der Fahrstuhl immerzu hochgefahren kam. Ungewöhnlich oft. Und ohne dass jemand ausstieg. Sie hatte Angst deswegen.«
»Ich nehme an«, sagte John, »das Aufzugsystem wurde untersucht? Eine rein technische Störung ist ausgeschlossen?«
»So ist es. Und jetzt hatte Fielder die Idee, dass auch Anne Westley vielleicht bedroht wurde. Was dazu passen würde, dass sie plötzlich kurz vor Weihnachten ihr Haus verkaufen und so bald wie möglich in die Stadt ziehen wollte – nachdem sie es ja zunächst jahrelang dort ausgehalten hatte.«
»Auf welche Art, meint Fielder, wurde sie bedroht?«
»Also, er hat in ihrem Haus ein Bild gefunden. Anne Westley hatte ein Atelier unter dem Dach. Sie war Hobbymalerin. Aquarelle. Ihre bevorzugten Motive
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