Beobachter
sechs Frauen. Fielder hat alle Namen. Anne Westley gehört leider nicht dazu, das wäre auch zu schön gewesen. Aber die Stanford … das war ein Volltreffer!«
»Inwiefern?«
»Also, Christy hatte gestern die Idee. Unsere schlaue Christy McMarrow«, sagte Kate mit einiger Verbitterung in der Stimme. Sie hatte Christy noch nie leiden können. Christy lebte ebenfalls ohne feste Beziehung, aber freudig und aus Überzeugung, und hatte nie ein Problem, eine Verabredung für das Wochenende zu finden. Abgesehen davon, dass der Chef sie anhimmelte. »Also, Christy ging mit der Namensliste aus dieser Frauengruppe in die Praxis, in der Dr. Anne Westley gearbeitet hatte, und verglich sie mit Westleys Patientenkartei. Und welchen Namen entdeckte sie da?«
»Liza Stanford«, sagte John. »Da du ja von einem Volltreffer gesprochen hast.«
»Genau«, bestätigte Kate.
Sie schwieg einen Moment, weil der Kellner mit einer Weinkaraffe und einer Flasche Wasser an den Tisch getreten war. Er schenkte ihnen ein, entfernte sich dann wieder.
»Liza Stanford hat einen Sohn«, berichtete Kate. »Finley Stanford. Mit ihm war sie vier- oder fünfmal bei Dr. Westley. Der Chef ist natürlich absolut euphorisch. Denn er hat ja schon die ganze Zeit über verzweifelt nach einem Schnittpunkt zwischen Carla Roberts und Anne Westley gesucht. Er geht davon aus, dass es kein Zufall ist, dass sie beide diese Liza Stanford kannten.«
»Ist es vermutlich auch nicht«, sagte John. Er versuchte, die vielen verschiedenen Fragen und Gedanken zu sortieren, die ihm sofort durch den Kopf schossen.
»Gab es irgendetwas mit dem Sohn?«, fragte er. »In medizinischer Hinsicht, meine ich. Ein Problem, irgendetwas Ernstes?«
Kate verneinte. »Es ging bei dem Jungen nur um Kleinigkeiten. Eine Halsentzündung. Die Masern. Eine Sportverletzung. Nichts Spektakuläres. Nichts, woraus sich unter Umständen ein Tatmotiv gegenüber Westley ableiten ließe.«
»Wie steht es mit Gillian Ward? Kennt sie diese Frau auch?«
Kate verzog bedauernd das Gesicht. »Wurde natürlich auch sofort überprüft. Das hätte die Sache richtig rund gemacht. Nein. Sie hat den Namen nie gehört. Fielder versucht nun herauszufinden, ob ihr Mann vielleicht Kontakt zu ihr hatte. Eventuell beruflich oder über seinen Sport. Aber das ist naturgemäß viel schwieriger.«
»Habt ihr Liza Stanford aufgesucht?«, fragte John.
Kate sah aus, als habe sie auf diese Frage nur gewartet. »Jetzt kommt das Beste«, sagte sie, »Fielder hat sie natürlich sofort aufgesucht. Gestern am späten Nachmittag noch. Das heißt, er hat es versucht. Und erfahren, dass sie verschwunden ist. Seit fast zwei Monaten!«
»Verschwunden?«
»Er hat ihren Mann angetroffen. Und rate, wer das ist? Stanford. Dr. Logan Stanford!«
»Ach«, sagte John überrascht. »Charity-Stanford?«
»Genau. Dieser sagenhaft reiche Rechtsanwalt mit der Protzvilla in Hampstead und den freundschaftlichen Kontakten bis hin zum Premierminister, zur Queen, was weiß ich. Der ununterbrochen mit seinen Wohltätigkeitsveranstaltungen in der Regenbogenpresse steht. Genau der ist es. Und er hat Fielder erklärt, dass seine Frau seit Mitte November verschwunden ist.«
»Aha. Und das findet Stanford normal? Oder hat er irgendetwas in dieser Sache unternommen?«
»Soweit ich weiß, ist das alles schon etwas mysteriös«, sagte Kate. Ihrer Formulierung entnahm John, dass sie in diesem Punkt nicht zu hundert Prozent auf dem Laufenden war. »Stanford hat nichts unternommen, weil es offenbar nicht völlig ungewöhnlich für seine Frau ist. Gelegentlich unterzutauchen, meine ich. Er hat wohl Fielder gegenüber eingeräumt, dass seine Ehe nicht besonders glücklich ist. Das entspricht dem, was wir aus der Frauengruppe wissen. Liza Stanford trug sich mit Trennungsabsichten. Es ergibt sich das Bild einer zumindest zeitweise ziemlich depressiven, nervösen Frau, die sich immer wieder Auszeiten nimmt, um herauszufinden, wie ihre Zukunft aussehen soll. In diesen Zeiten hat sie keinerlei Kontakt zu ihrer Familie.«
»Worin genau bestehen die Probleme in dieser Ehe? Hat Fielder das erfragen können?«
»Das weiß ich leider nicht«, bekannte Kate. »Du weißt ja, wirklich intensiv bespricht er sich immer nur mit seiner Christy. Ich erfahre nur, was in den Gesamtkonferenzen abgeklärt wird, und zu dieser Entwicklung gab es nur ein ganz kurzes Gespräch gestern am späten Abend.«
»Der Sohn. Was ist mit ihm? War der zu Hause?«
»Ja. Finley ist zwölf
Weitere Kostenlose Bücher