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Beobachter

Beobachter

Titel: Beobachter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Link
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konfrontiert, dass es doch nicht war, wie es war. Dass alles ganz anders sein konnte.
    John Burton stand vor einer erschütternden Erkenntnis: Er hatte sich in eine Frau verliebt. Er hatte sich so sehr verliebt, dass ihm der Gedanke, diese Frau zu verlieren, fast unerträglich schien. Er hatte sie angefleht, bei ihm zu bleiben, und war abgeblitzt. Fassungslos stand er der unglaublichen Tatsache gegenüber, dass seine Gefühle nicht erwidert, zumindest offenbar nicht mehr erwidert wurden. Es sah so aus, als werde er diese Frau nicht für sich gewinnen können. Als würde es abermals eine Trennung in seinem Leben geben, und diesmal eine, die nicht von ihm ausging. Und bei der er es sein würde, der litt wie ein Hund.
    Er hatte absolut keine Erfahrung im Umgang mit einer solchen Situation, und so reagierte er zunächst, indem er sich ihr entzog: Er ließ sich volllaufen, um den quälenden Gedanken, die ihn bedrängten, wenigstens die äußerste Schärfe zu nehmen.
    Gegen halb zehn hatte er sich auf den Heimweg gemacht, mit dem Auto und eigentlich vollkommen fahruntüchtig. Er wusste, es grenzte an ein Wunder, dass er nicht von einer Streife angehalten worden war, zumal er besonders aggressiv und geradezu herausfordernd rücksichtslos gefahren war; er hatte die ganze Wut, die er plötzlich gegen Gillian hegte, in seine Fahrweise gelegt. Weil er mehr Glück als Verstand hatte, wie er sich später sagte, war er tatsächlich unbehelligt vor seiner Haustür gelandet, war die Treppe hinaufgeschwankt und hatte sich auf seine Matratze geworfen, ohne überhaupt seine Kleidung auszuziehen. Dass er nicht den halben darauffolgenden Tag verschlafen hatte, war seinem Wecker zu verdanken, dessen nervtötendes und ziemlich lautes Piepen pünktlich um halb sieben selbst in Johns alkoholumnebelte Träume drang und ihn zwang, sich trotz stechender Kopfschmerzen und einem völlig ausgetrockneten Mund zu erheben. Seine Kleidung und das ganze Bett stanken nach Kneipe, nach Bratfett und Alkohol. Angewidert von sich selbst, war er ins Bad geschlichen und hatte eine lange Dusche genommen, sich sodann mit drei Tassen starkem Kaffee und mehreren Aspirintabletten in einen halbwegs arbeitsfähigen Zustand versetzt. Als er im Büro saß, ging es ihm schon besser. Er hatte noch nie so viel Alkohol getrunken wie am Vorabend, und er schwor sich, das auch nie mehr zu tun. Er könnte jetzt seinen Führerschein los sein und ein Strafverfahren am Hals haben, und das alles wegen Gillian. Weil sie ihn abgewiesen hatte.
    Nie wieder. Nie wieder würde er sich wegen einer Frau so sehr zum Idioten machen.
    Um die Mittagszeit wurde er unruhig. Es gab genug Arbeit, um den ganzen Tag am Schreibtisch zu verbringen, aber sein eigentliches Vorhaben war gewesen, ab drei Uhr Position vor der William Ellis School in Highgate zu beziehen in der Hoffnung, Finley Stanfords Mutter treibe sich vielleicht dort herum, um heimlich einen Blick auf ihren Sohn zu werfen, wenn er zu seinem Sportkurs ging. Die Frage war, ob er, John, an der ganzen Geschichte überhaupt noch dranbleiben wollte. Sein Motiv war Gillian gewesen, die Tatsache, dass sie Teil der mysteriösen Geschehnisse war und womöglich in Gefahr schwebte. Sollte er sich angesichts der Entwicklung der Ereignisse ausgerechnet wegen Gillian noch für etwas engagieren, das ihn kaum etwas anging?
    Schließlich entschied er jedoch, es trotzdem zu tun. Es passte nicht zu ihm, sich beleidigt zurückzuziehen, wie er fand.
    Er rief im Handballclub an, behauptete, eine schwere Erkältung zu haben und daher sowohl am heutigen Tag als auch für die ganze Woche seine Trainerstunden nicht wahrnehmen zu können. Dann zog er seine Jacke an, griff sich den Autoschlüssel und verließ das Büro. Das Schneetreiben raubte ihm fast die Sicht.
    Dennoch parkte er pünktlich um drei Uhr vor Finleys Schule.
    Und wartete. Spähte. Der dichte Schneefall machte die Sache nicht leichter.
    Irgendwann, irgendwo musste Finleys Mutter auftauchen.
    2
    »Ja, also«, sagte Luke Palm, »das Haus ist in einem wirklich guten Zustand. Gepflegt und freundlich … Ich sehe da keine allzu großen Probleme.«
    Sie standen im Esszimmer. Draußen brach die Dunkelheit herein. Es schneite. Ohne Unterlass, seit dem frühen Morgen.
    Palm hatte sich alles angesehen, einige Notizen gemacht. Nun nickte er zufrieden. »Kein Problem«, wiederholte er.
    Gillian merkte, wie angespannt sie war. Palms positive Bemerkungen vermochten daran nichts zu ändern. Sie hatte das

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