Beobachter
untergetaucht«, sagte Christy. »Er war ja mein absoluter Lieblingsverdächtiger, aber mittlerweile schwanke ich. Vielleicht ist er wirklich nur ein harmloser Spinner, der im Moment von der Panik getrieben wird, ihm könnte etwas angehängt werden. Er ist ja sozusagen das leibhaftige Gegenstück zu einem Mann wie unserem geschätzten Dr. Stanford: einer, der sich im Zweifelsfall nie zu helfen weiß.«
»Interessant wäre es zu wissen, ob er die Stanford kannte.«
»Er erwähnt sie nicht in seinen Aufzeichnungen.«
»Man kann es dennoch nicht ausschließen. Auch ihn müssten wir dringend ausfindig machen.«
»Und John Burton?«
»Im Auge behalten«, sagte Fielder. Er fügte hinzu: »Ich habe die Ermittlungsakte von damals anfordern lassen.«
»Sir, es kam nicht zu einem Gerichtsverfahren«, wandte Christy ein. Sie hatte den Eindruck gewonnen, dass man ihrem Chef diese Tatsache nicht oft genug in Erinnerung rufen konnte. »Die Anschuldigung war unhaltbar!«
»Trotzdem. Ich will das noch mal durchgehen.«
»Und ich …«
»Und Sie versuchen Ihr Glück bei Stanford. Vielleicht sind Sie ja erfolgreicher bei ihm als ich«, sagte Fielder.
Sie verdrehte die Augen. Sie hatte geahnt, dass Fielder sie auf Stanford hetzen würde – auf den Typen, aus dem nichts herauszubringen war.
»Wird gemacht, Sir«, sagte sie resigniert.
5
Das Erste, was er sah, als er den Weg zum Haus entlangging, war die weit offen stehende Haustür. Angesichts all dessen, was in den letzten Wochen geschehen war, durchfuhr ihn sofort ein eisiges Erschrecken, witterte er eine schreckliche Gefahr und blieb kurz stehen, um sich darüber klar zu werden, wie er nun am besten reagieren sollte. Aber im selben Moment sah er Gillian um die Ecke aus dem nach hinten gelegenen Garten kommen. Sie war offensichtlich nur kurz draußen gewesen, denn sie trug weder Mantel noch Schal, hatte lediglich ihre gefütterten Stiefel übergezogen, um durch den hohen Schnee stapfen zu können. In der Hand hielt sie einen Plastikeimer. Sie zuckte zusammen, als sie den Besucher sah, entspannte sich aber sofort, als sie erkannte, wer er war.
Allerdings wirkte sie nicht besonders erfreut, wie John registrieren musste.
»Hallo, Gillian«, sagte er.
Sie lächelte, eher höflich als herzlich. »Hallo, John.«
Er trat auf sie zu und gab ihr einen Kuss, aber sie drehte den Kopf so, dass er mit seinen Lippen nur ihre Wange streifen konnte.
»Es ist wahrscheinlich unhöflich, einfach ohne Voranmeldung vorbeizukommen«, sagte er, »aber ich war gerade in der Nähe …«
Das stimmte nicht. Dienstags hatte er kein Training, und es hatte absolut keinen Grund gegeben, nach Thorpe Bay hinauszufahren. Keinen – außer den, Gillian zu sehen. Aber zum Glück hakte sie nicht nach.
»Komm doch rein.« Sie trat vor ihm ins Haus und stellte den Eimer neben die Tür. »Ich habe die Vögel gefüttert.«
»Aha.« Er sah sich um. An den Wänden entlang des Flurs stapelten sich Kisten. Zudem waren offenbar Bilder im Eingangsbereich abgehängt worden, denn an den Wänden zeichneten sich deutlich die Ränder ab.
»Was ist denn hier los?«, fragte er.
»Ich habe schon ein paar Sachen verpackt«, sagte Gillian. Sie verschwand in der Küche. »Möchtest du einen Kaffee?«
»Gerne.« Er sah sich noch immer kopfschüttelnd um. Die Anzeichen waren kaum verkennbar: Gillian bereitete ihren Auszug vor.
Er trat in die Küche. Draußen war es schon fast dunkel, trotzdem konnte er durch die Scheibe der Gartentür gerade noch das auf einer hohen Stange befestigte Vogelhäuschen erkennen. Er wandte sich an Gillian, die gerade mit der Kaffeemaschine hantierte. »Warum gehst du nicht zur Küche hinaus, wenn du in den Garten willst?«
Sie hielt inne. »Keine Ahnung«, erwiderte sie, aber dann fügte sie hinzu: »Ich habe ein Problem, die Gartentür offen zu lassen. Selbst wenn es nur ein paar Momente sind … Dort ist der … Mörder hineingekommen. Es ist einfach … es geht einfach nicht.«
»Die Haustür solltest du dann aber auch nicht offen stehen lassen. Das ist etwas irrational!«
Sie schaltete die Kaffeemaschine ein. »Etwas? Alles in meinem Leben ist seit einiger Zeit völlig irrational.«
John trat näher an sie heran. »Gillian! Was ist los? Was bedeutet das … du packst hier alles? Willst du ausziehen?«
»Ja. Ich verkaufe das Haus. Morgen kommt ein Makler.«
»Ist das nicht ein bisschen überstürzt?«
»Soll ich in einem Haus leben und mein Kind großziehen, in dem mein Mann
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