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Beobachter

Beobachter

Titel: Beobachter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Link
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niemand zu Hause war. Trotzdem hatte er ein paar Mal geklingelt, war schließlich bis zur Straße zurückgetreten und hatte hinaufgespäht. Taras Balkon. Dahinter die Scheiben des Wohnzimmerfensters. Alles war dunkel. Das neben dem Balkon befindliche kleinere Fenster musste ebenfalls zu ihrer Wohnung gehören, und auch dort brannte kein Licht.
    Es war der Moment, zur Polizei zu gehen.
    John setzte sich wieder in sein Auto.
    Er dachte an den Abend, an dem er Gillian hierher zurückgefahren hatte. Anfang Januar. Sie hatte ein paar Sachen aus ihrem Haus geholt, sah sich zum ersten Mal wieder mit dem Ort konfrontiert, an dem ihr Ehemann gewaltsam ums Leben gekommen war. Er hatte ihr geholfen, die Sachen nach oben zu tragen, aber sie wollte nicht, dass er noch mit in die Wohnung kam. Was er verstand: Becky war dort, verstört und vollkommen durcheinander. Und hellhörig. Sie sollte nicht unmittelbar nach dem Tod ihres Vaters einen anderen Mann an der Seite ihrer Mutter erleben, auch wenn dieser nur als hilfsbereiter Freund auftrat. Sie hätte wittern können, dass mehr dahintersteckte. Zumindest hatte Gillian diese Befürchtung zum Ausdruck gebracht, und John hatte ihre Sorge respektiert.
    Jetzt, mit einem erneuten Blick hinauf zu der dunklen Wohnung, dachte er: Vielleicht ging es für sie gar nicht nur um Becky. Vielleicht gab es damals schon ein ungutes Gefühl gegenüber Tara. Vielleicht hatte die bereits begonnen, gegen mich Front zu machen.
    Doch nein, das konnte nicht sein. Erst an jenem Abend, so entsann er sich, hatte Gillian Tara von den Vorkommnissen erzählt, die für Johns Ausscheiden aus dem Polizeidienst verantwortlich waren. Daraufhin hatten sich die beiden Frauen gestritten. Tara hatte absolutes Unverständnis darüber geäußert, dass sich Gillian mit einem Mann einließ, auf dessen Vorgeschichte das Wort Vergewaltigung wie ein hässlicher Fleck prangte; ein Fleck, der trotz allem, was geschehen war, um ihn zu entkräften, nie ganz seine Umrisse verloren hatte. Tara musste recht heftig geworden sein. Denn unmittelbar darauf hatte Gillian Becky nach Norwich zu den Großeltern geschickt und war in ihr Haus zurückgekehrt – gegen den Rat eines jeden Menschen, der es gut mit ihr meinte.
    Warum wurde er das Gefühl nicht los, dass er gerade an dieser Stelle etwas übersah?
    Ich habe Tara erzählt, dass du früher bei der Polizei warst. Und wie es kommt, dass du dort jetzt nicht mehr bist …
    Er konnte Gillians Stimme deutlich hören. Er hatte sich gewundert, weshalb sie nach Hause zurückgekehrt war, und sie versuchte, es ihm zu erklären. Sie hatte sich unbehaglich gefühlt, weil es mit der dummen Geschichte von damals zu tun hatte, weil sie ihn mit der Erkenntnis konfrontieren musste, dass die ganze leidige Sache noch immer an ihm klebte, ihm noch immer Misstrauen und Vorbehalte einbrachte und das vermutlich auch immer tun würde.
    Sie fiel aus allen Wolken …
    Er richtete sich auf.
    An genau dieser Stelle stimmte etwas nicht.
    Sie fiel aus allen Wolken …
    Was hatte ihm Kate berichtet? Tara Caine hatte die Akte Burton angefordert und gelesen, und zwar bereits im Dezember. Sie hatte sie, so Kate, noch vor Weihnachten wieder zurückgegeben. Das bedeutete, dass sie an jenem Donnerstag Anfang Januar, als Gillian ihr von den Ermittlungen gegen John berichtet hatte, längst Bescheid wusste. Und zwar detailliert, denn sie hatte sich über jeden einzelnen Punkt des gesamten Vorganges haarklein informiert. Wenn sie aus allen Wolken gefallen war, dann hatte sie bloß so getan als ob. Ihr jähes Erschrecken musste sie Gillian vorgespielt haben.
    Warum?
    Vielleicht hatte sie unter allen Umständen verbergen wollen, dass sie spioniert hatte. John vermutete, dass ihr bei der Erwähnung des Namens Burton irgendeine vage Erinnerung gekommen war – vermutlich an ein Gespräch mit einem Kollegen oder an etwas, das sie irgendwo auf dem Gang aufgeschnappt hatte. Sie hatte sich informiert … und ihr Wissen für sich behalten. Zu diesem Zeitpunkt musste sie noch davon ausgehen, dass Gillian keine Ahnung hatte. Wäre es für sie als beste Freundin nicht normal gewesen, sofort zu erzählen, was sie herausgefunden hatte? Offenbar war sie von Johns Unschuld keineswegs überzeugt, zumindest sah sie in ihm noch immer eine Gefahr. Weshalb schwieg sie und spielte später die völlig Überraschte?
    John wusste, dass aus all dem noch nichts zu konstruieren war, was Tara wirklich belastet hätte. Man konnte sich eine Reihe harmloser

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