Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Beobachter

Beobachter

Titel: Beobachter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Link
Vom Netzwerk:
Fenster geworfen – auf den Grundstücken türmte, verriet, dass diese Bruchbuden noch bewohnt wurden. Dann kamen Mehrfamilienhäuser. Beschmierte Wände. Herausgebrochene Fensterscheiben. Bei einem Haus fehlte die komplette Haustür. Immer mehr Müll, immer mehr Dreck, immer mehr Verwahrlosung. Meyers wusste, dass sich unter dem Abfall jede Menge Spritzen befanden. Irritiert beobachtete er ein kleines Kind, das trotz Kälte und Schmutz auf der Straße spielte – unbeaufsichtigt und jeder Menge Gefahren ausgesetzt. Die Eltern schliefen wahrscheinlich oder waren besoffen oder zugekifft oder alles auf einmal. Das Kind strahlte trotzdem. Selbst in dieser tristen Umgebung freute es sich offensichtlich über den Schnee. Wie alle Kinder auf der Welt.
    Meyers empfand Traurigkeit.
    Wie es ein Mädchen von hier zur Staatsanwältin in London gebracht hatte, war ihm ein Rätsel. Schien eine verdammt taffe Person zu sein.
    Die Reddish Lane zog sich über eine große Strecke hin, und Meyers stellte erleichtert fest, dass sich die betreffende Hausnummer nicht in der schlechtesten Ecke befand. In den unteren Stockwerken etlicher Häuser dort gab es kleinere und größere Läden und Geschäfte, und auch wenn einige davon offenbar hatten aufgegeben und mit Markisen oder zusammengenagelten Brettern verschlossen werden müssen, hielten sich die meisten doch tapfer. Die Gegend wirkte alles andere als wohlhabend, war aber auch nicht verwahrlost.
    Hätte schlimmer kommen können, dachte er.
    Mrs. Caine-Roslin bewohnte ein frei stehendes kleines Haus, das aus roten Ziegelsteinen gebaut war und von einem winzigen Hof umgeben wurde, an dessen hinterem Ende man einen etwas baufälligen Schuppen entdecken konnte. Das Haus selbst schien solide und stabil zu sein, und nur wenn man genauer hinsah, entdeckte man Anzeichen dafür, dass schon lange niemand mehr etwas für den Erhalt getan hatte: Die Fensterrahmen hätten gestrichen, das Hoftor repariert, einige Dachziegel erneuert werden müssen. Das Erdgeschoss bestand, wie bei so vielen Häusern in der Straße, aus einer ehemaligen Ladenfront, die jetzt mit einem blauen Rollo verschlossen war. Ein Schild wies darauf hin, dass sich hier eine Reparaturwerkstatt für Fahrräder befand. Das Schild war alt und die Schrift darauf nur mühsam zu entziffern, so sehr hatten Wind, Regen und Sonne ihr im Laufe der Zeit zugesetzt. Die Werkstatt schien es nicht mehr zu geben.
    Fraglich war, ob es im Haus noch Bewohner gab.
    Rick Meyers parkte am Straßenrand, stieg aus und blickte zweifelnd zu den Fenstern des ersten Stockwerks hinauf. Er sah kein Licht, aber dazu war der Tag auch schon zu weit fortgeschritten. Immerhin hingen dort Gardinen, und er meinte sogar, die eine oder andere Topfpflanze zu erkennen. Dennoch lag eine eigentümliche Leblosigkeit über Haus und Hof, aber das mochte auch mit dem ganz offenkundig stillgelegten Betrieb im unteren Teil des Hauses zusammenhängen.
    Meyers stapfte durch den Schnee, den niemand auf dem Grundstück beiseitegeräumt hatte. Vielleicht wohnte die alte Caine-Roslin hier schon gar nicht mehr. Vielleicht hatte die Tochter sie längst nach London geholt und dort in einem Altenheim untergebracht. Komisch, dass sie hier noch gemeldet war. Aber diese Dinge passierten manchmal.
    Außerdem war die Tochter verschwunden und wurde von Scotland Yard gesucht.
    Seltsame Geschichte.
    Es gab eine Tür, die in den unteren Bereich des Hauses führte, aber diese war mit zwei über Kreuz genagelten Brettern unpassierbar gemacht worden. Direkt daneben zog sich eine steile Treppe an der Außenmauer entlang nach oben. Dort gab es eine weitere Tür. Sie schien noch zugänglich zu sein.
    Auf der Treppe lag so hoher Schnee, dass es Rick Meyers nur mit größter Mühe gelang, hinaufzuklettern. Sie wurde von einer Mauer begrenzt, aber es gab kein Geländer, nichts, woran man sich hätte festhalten können. Seit Wochen hatte hier niemand mehr den Schnee von den Stufen geschaufelt. Rick Meyers fragte sich, wie es eine ältere Frau schaffte, die steile und tief verschneite Treppe zu passieren. Gelegentlich musste Lucy Caine-Roslin doch wohl rausgehen und sich etwas zu essen besorgen? Der frische Schneefall verbarg jeden Hinweis darauf, wann hier zuletzt jemand hinauf- oder hinuntergeklettert war. Aber wenn er, als relativ junger Mann, schon solche Schwierigkeiten hatte, wie gelang es einer Frau, die mindestens sechzig sein musste? Sein Eindruck verstärkte sich, dass hier niemand mehr

Weitere Kostenlose Bücher