Beobachter
herauszufinden, ob sich ihre Tochter bei ihr aufhielt. John nahm erleichtert zur Kenntnis, dass der Apparat endlich in Bewegung kam. Am Vorabend hatten sie ihn stundenlang befragt, waren natürlich freudig darauf angesprungen, dass er Liza Stanford ausfindig gemacht hatte, hatten aber voller Skepsis auf seinen Verdacht Tara Caine betreffend reagiert. Fielder hatte noch am späten Abend Liza aufgesucht und ein erstes Gespräch mit ihr geführt, aber alles, was Tara Caine und Gillian Ward betraf, war auf den nächsten Morgen verschoben worden. John hatte deutlich gespürt, dass sie seine gewagten Theorien, die er bislang tatsächlich nicht unterfüttern konnte, für äußerst befremdlich hielten – auch wenn sie jetzt am Morgen immerhin darangingen, der Staatsanwältin nachzuspüren. Aber eine ganze Nacht war sinnlos verstrichen, eine Nacht, die John ohne eine einzige Minute Schlaf verbracht hatte. Er war in seiner Wohnung auf und ab gegangen und hatte zwei Päckchen Zigaretten aufgeraucht, war dann am Morgen wieder im Yard aufgekreuzt und hatte zu wissen verlangt, was denn nun als Nächstes geschehen würde.
Christy McMarrow hatte Zeit für ihn, und es war schnell klar, wie ihr Auftrag lautete: herauszufinden, woher sein Insiderwissen stammte. John allerdings weigerte sich, die Quelle seiner Informationen preiszugeben, und er vertrat zudem die Ansicht, dass diese auch völlig unwesentlich sei.
Er und Christy hatten jahrelang zusammengearbeitet. Sie mochten einander, waren manchmal zusammen nach Dienstschluss etwas trinken gegangen. Christy war eine der Ersten gewesen, die damals jedem, ob er es hören wollte oder nicht, verkündet hatte, bei den gegen John erhobenen Anschuldigungen könnte es sich nur um völligen Blödsinn handeln. John hatte deshalb gehofft, er könne ihr seine Situation verständlich machen. Aber Christy verschanzte sich hinter einer Wand der Unpersönlichkeit und schien nicht darauf eingehen zu wollen, dass sie einmal befreundet gewesen waren.
Er versuchte es noch einmal. »Christy, ich …«
Sie unterbrach ihn sofort. »Ich habe immer noch keine Antwort auf die Frage, wie du darauf gekommen bist, nach Liza Stanford zu suchen. Die einzige Möglichkeit, die ich mir denken könnte, wäre die, dass du mit Keira Jones gesprochen hast. Carla Roberts’ Tochter.«
»Habe ich nicht.«
»Mit wem dann?«
Er fühlte die Ungeduld in sich wachsen. »Christy, spielt das jetzt wirklich eine Rolle? Wir haben doch andere Probleme. Gillian Ward ist verschwunden. Staatsanwältin Caine ebenfalls. Letztere …«
»… muss mit den ganzen Verbrechen nichts zu tun haben«, sagte Christy. »Diese Theorien sind ziemlich weit hergeholt, John. Bizarr, um es vorsichtig auszudrücken. Nach deinen eigenen Angaben hatte Gillian Ward vor, in irgendeinem abgelegenen Hotel eine Art Selbstfindung zu betreiben, und …«
»Nein. Ich habe nichts von Selbstfindung gesagt. Mir kam es eher so vor, als versuche sie, sich zu verstecken.«
»Jedenfalls siehst du nun in ihrem Verschwinden eine Gefahr und verdächtigst dabei gleich ernsthaft eine Staatsanwältin, eine Serienmörderin zu sein?«
»Ich habe nur darauf hingewiesen, dass sie der erste bislang aufgetauchte Mensch ist, der alle Opfer kannte. Und es beunruhigt mich, dass sie nun wie vom Erdboden verschluckt ist. Und Gillian Ward mit ihr. Gillian Ward wurde auch von euch als gefährdet eingestuft. Das zumindest hat mir Fielder selbst gesagt.«
»Nun, ich denke …«, hob Christy an, aber in diesem Moment läutete das Telefon auf ihrem Schreibtisch. Christy lauschte und sagte dann knapp: »Ich nehme das Gespräch bei Ihnen in Empfang. Moment bitte.« Sie erhob sich. »Entschuldige mich für einen Augenblick. Ich bin gleich wieder da.«
Sie verließ den Raum. John stand auf, trat ans Fenster. Er vibrierte vor Ungeduld. Die Beamten kamen zweifellos in die Gänge, aber für seine Vorstellung viel zu langsam. Und es passte mal wieder zu Fielder, dass er eine seiner fähigsten Mitarbeiterinnen abgestellt hatte, den Erzfeind von früher auseinanderzunehmen. Als ob es in diesen Stunden nicht wichtigere Aufgaben für Christy gäbe!
Noch fünf Minuten, nahm er sich vor, noch fünf Minuten gebe ich dieser idiotischen Veranstaltung hier, dann bin ich weg. Und dann suche ich auf eigene Faust nach Gillian.
Christy kam in das Zimmer zurück, als die fünf Minuten gerade um waren. Sie sah sehr angespannt aus. John begriff sofort, dass sie beunruhigende Neuigkeiten erfahren hatte.
Weitere Kostenlose Bücher