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Beobachter

Beobachter

Titel: Beobachter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Link
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ehe man – wenn überhaupt – zu einem Ergebnis kam, und die Zeit drängte.
    »Sie schaffen das«, sagte John aufmunternd. »Passen Sie auf, Sie übernehmen gleich hier diese Straßenseite. Ich fange mit dem direkten Nachbarn an und arbeite mich dann nach oben.«
    »Soll ich mich mit meinem richtigen Namen vorstellen?«
    »Sicher. Es läuft ja keine landesweite Fahndung nach Ihnen. Stellen Sie sich als Samson Segal aus London und guten Freund von Tara Caine vor. Alles klar?«
    »Alles klar«, bestätigte Samson.
    John nickte ihm zu, dann überquerte er die Straße. Er schaute an Lucy Caine-Roslins Haus hinauf. Dunkle, schweigende, tote Fenster.
    Hatte Tara Caine ihre eigene Mutter getötet?
    Kurz entschlossen wandte er sich dem Nachbarhaus zu. Es gab keine Zeit zu verlieren.
    6
    Sie stapfte durch den Schnee. Die Dunkelheit war längst hereingebrochen, der Himmel noch zu wolkig, als dass Mond und Sterne hätten hervorscheinen können, aber die weißen Felder und Wiesen gaben der Nacht ein wenig Helligkeit. Es war Wind aufgekommen, bald würde er die Wolken auseinandergerissen und vertrieben haben.
    Sie war der einzige Mensch weit und breit.
    Dies zu wissen gab ihr ein Gefühl von Ruhe. Fast Geborgenheit.
    Der Daumen, in den sie sich geschnitten hatte, schmerzte. Sie mochte diesen Schmerz. Sie tat das immer wieder, sie ritzte sich gerne. Es faszinierte sie, ihr Blut fließen zu sehen. Sie liebte seine Farbe und seine Wärme. Sie liebte das Pochen, das sich in dem geritzten Körperteil ausbreitete. Wie der Herzschlag. Als sei das Herz gewandert und habe einen neuen Platz gesucht, um sich niederzulassen. Den Daumen zum Beispiel. Es konnte aber auch ganz woanders sein. Es lag in ihrer Macht, dies zu bestimmen. Sie konnte ihr Herz auch im Fuß platzieren.
    Meist ritzte sie sich die Beine. Deshalb trug sie auch immer Hosenanzüge, nie Kostüme. Ihre Beine konnte sie nicht mehr herzeigen.
    Sie wusste, dass sie sich nicht verlaufen würde. Sie kannte die Gegend, sie hätte sich blind hier zurechtgefunden. Allerdings war sie erschöpfter, als sie gedacht hatte. Der Tag war lang gewesen. In der Nacht davor hatte sie nicht geschlafen, war Richtung Norden gefahren, hatte in einem schier endlosen, zermürbenden Stau gesteckt, der sich wegen eines verunglückten Lastwagens gebildet hatte.
    Kurz nach ein Uhr war sie auf einen Rastplatz gefahren, weil sie pausieren musste. Andernfalls würde sie nicht durchhalten, das hatte sie sich ganz realistisch vor Augen geführt. Natürlich war es nicht ungefährlich. Gillian lag hinten im Kofferraum unter ihrer Decke, und es gehörte nicht viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, dass sie ständig über Flucht nachdachte. Allerdings hatte sie sie so gut zusammengeschnürt, dass sie sich aus eigener Kraft nicht würde befreien können. Und das Auto war verriegelt. Sie hatte sich über beide Vordersitze ausgestreckt und versucht, ein wenig Ruhe zu finden. Sie war nicht eingeschlafen, dafür war die Stellung zu unbequem und ihre Nervosität zu groß. Aber immerhin hatte sie sich ausruhen können.
    Bevor sie weitergefahren war, hatte sie Gillians Handtasche in einem Müllcontainer entsorgt, das Handy, das sie zuvor ausgeschaltet hatte, in einen anderen geworfen. Würde vermutlich nie jemand finden.
    Die Wanderung bis zur Hütte war anstrengend gewesen, der Weg jetzt zurück war es ebenfalls. Sie entsann sich der Feldwege, über die sie vor langen Jahren an hellen Sommerabenden gelaufen war. Hin und her, schnell und unbeschwert. So primitiv das Leben in der Hütte gewesen war, sie hatte es aus tiefstem Herzen genossen. Die Natur. Die Freiheit. Damals hätte sie jedem ohne Zögern erklärt, dass die Welt und das Leben gut seien.
    Sie hatte nicht richtig einkalkuliert, wie weit sich der Weg von der Hauptstraße bis zur Hütte bei diesem Schnee hinziehen würde. Sowieso hatte sie nicht bedacht, dass sie den Wagen so weit entfernt würde stehen lassen müssen. Dabei grenzte es an ein Wunder, dass sie es überhaupt bis in eine einigermaßen erreichbare Nähe geschafft hatte. Es war ein riesiges Glück, dass zumindest die Hauptstraßen im District offenbar regelmäßig geräumt wurden. Sogar hier im nördlichen Teil.
    Sie blieb einen Moment stehen, zog den Schal höher, den sie sich vor ihr Gesicht zu drapieren versuchte. Die Kälte schnitt in die Haut und schmerzte in den Lungen. Es war so anstrengend, guter Gott! Der Schnee schien noch höher geworden zu sein seit dem Mittag, was auf Einbildung beruhen

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