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Beobachter

Beobachter

Titel: Beobachter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Link
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ausgeharrt hätte. Sie schwebte jetzt in unmittelbarer Lebensgefahr. Umso wichtiger, dass sie einen klaren Kopf behielt.
    Sie tat, was sie immer tat, wenn sie versuchte, ein Problem zu lösen: Sie rief sich die entscheidenden Situationen Schritt für Schritt in ihr Gedächtnis zurück.
    Die Hütte. Gillian gefesselt auf dem Sofa. Sie selbst stand an den Ofen gelehnt. Redete. Erzählte. Neben ihr auf dem Ofen lag der Schlüssel, mit dem sie die Hütte aufgeschlossen hatte.
    Nur er?
    Sie kniff die Augen zusammen, visualisierte den Raum, die Situation. Oh Gott, nein, nicht nur der Schlüssel, mit dem sie die Hütte aufgeschlossen hatte. Direkt daneben lag der Bund mit Auto- und Wohnungsschlüssel daran. Er war aus der Tasche gefallen, als sie die Vorräte ausgepackt und ihn dabei aus Versehen mit erwischt hatte. Sie hatte ihn auf den Ofen gelegt.
    Aber sie hätte ihn sehen müssen, als sie den Schlüssel zur Hütte wieder an sich genommen hatte. Sie ergriff nicht einen Schlüssel und ließ zwei andere direkt daneben liegen.
    Das bedeutete, als sie gegangen war, hatte dort nichts mehr gelegen. Es konnte gar nicht sein.
    Gillian hatte gebettelt, endlich pinkeln zu dürfen. Sie war an dem Ofen vorbeigekommen. Hatte sie sich den Schlüsselbund geschnappt?
    Das konnte sein. Wie bösartig sie war! Das konnte tatsächlich sein. Es würde allerdings bedeuten, dass sie ihre Hände besser bewegen konnte als gedacht. Wahrscheinlich hatte sich das Klebeband gelockert. Wahrscheinlich hatte sie wie wild daran gezerrt, während sie alles darüber erfuhr, wie sich eine Kindheit und Jugend mit einem Stiefvater wie Ted Roslin anfühlte – und darüber Erschrecken und Entsetzen heuchelte.
    Fast hätte Tara laut aufgelacht. Das war wirklich zu gut. Sie hatte den Schlüssel zu der Hütte, in der Gillian eingesperrt war, und stand neben dem Auto, das ihr nichts nützte. Während Gillian im Besitz des Autoschlüssels war, aber in der Hütte festsaß.
    Gut gemacht! Das hast du wirklich schlau angefangen!
    Fassungslos rüttelte sie an dem Griff der Autotür und erzielte einen unerwarteten Erfolg: Der Wagen war nicht verschlossen. Sie konnte sich zumindest hineinsetzen. Gott sei Dank, wenigstens war ihr Auto keines von der Sorte, dessen Türen sich nach ein paar Augenblicken selbst verriegelten, wenn der Fahrer vergaß, abzuschließen.
    In Windeseile klaubte sie den auf der Kühlerhaube verstreut liegenden Inhalt ihrer Tasche zusammen und flüchtete auf den Beifahrersitz. Es war eiskalt im Auto, aber für den Moment bedeutete es schon eine Erleichterung, einen Schutz vor dem Wind zu haben. Und es gab die dicke Wolldecke hinten im Kofferraum. So konnte sie es vielleicht eine Weile aushalten.
    Einen Moment überlegte sie, ob es ihr gelingen würde, die Zündung kurzzuschließen und das Auto damit zu starten, aber sie verwarf den Gedanken dann wieder. Sie hatte keine Ahnung, wie so etwas funktionierte, ob es bei diesem Wagen überhaupt gelingen konnte. Das Risiko, damit etwas kaputt zu machen, war zu groß.
    Sie wog ihre Chancen und Möglichkeiten ab. Zurück zur Hütte? Gillian den Schlüssel entreißen? Oder einfach hier warten in der Hoffnung, dass vielleicht am nächsten Morgen ein Räumfahrzeug vorbeikam und sie abschleppte?
    Du sitzt in der Falle, Tara!
    Nein, tat sie nicht. Sie lehnte den Kopf zurück, atmete tief durch.
    Nachdenken. Kühles Blut bewahren. Und dann das Richtige tun.
    Das war immer ihr Rezept gewesen, und es hatte immer funktioniert.
    Ihre Hand schmerzte, und die Nacht umschloss sie von allen Seiten und trug die Ängste ihres ganzen Lebens in sich.
    7
    John hatte fast das Ende der Straße erreicht, ohne dass er in seinem Vorhaben auch nur einen einzigen Schritt weitergekommen war. Er war auf höchst unterschiedliche Reaktionen gestoßen. In zwei Wohnungen hatte man ihm überhaupt nicht geöffnet, obwohl sowohl Lichtschein als auch das Geräusch von Schritten die Anwesenheit der Bewohner verrieten. Eine alte Frau hatte zwar misstrauisch über die Kette, die ihre Tür sicherte, gespäht, aber trotz wiederholter Versuche von John, ihr sein Anliegen zu erklären, nicht begriffen, worum es ging. Einige waren sofort aggressiv geworden, hatten Vorwürfe zurückgewiesen, die er überhaupt nicht erhoben hatte. »Mrs. Caine-Roslin? Ja, das ist leicht, hinterher zu sagen, es hätte uns auffallen müssen, dass sie seit Wochen nicht mehr auftauchte. Aber was denken Sie, wir haben auch unsere Probleme! Ich meine, man hat wirklich

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