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Beobachter

Beobachter

Titel: Beobachter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Link
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stehen blieb, lag ein Stück unterhalb des Hauses der Caines auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Es sah heruntergekommen und ziemlich verwahrlost aus. John spürte, wie sein Mut sank. Hoffentlich kein verwirrter alter Mann, der ihnen unzusammenhängende Geschichten erzählte, die sie nicht weiterbrachten.
    Der Mann lebte im ersten Stock und hatte an seiner Wohnungstür gewartet. In einer Hinsicht fühlte sich John zumindest beruhigt, als er ihn sah: Verwirrt war der Alte auf jeden Fall nicht. Aus hellwachen, aufmerksamen Augen blickte er seinen Besuchern entgegen. Ein kluges, lebenserfahrenes Gesicht.
    Ein Intellektueller, dachte John, Gott sei Dank.
    Er gab ihm die Hand. »John Burton. Ich bin ein Freund von Tara Caine. Ich mache mir sehr große Sorgen um sie. Aber das hat Mr. Segal Ihnen sicher schon erzählt.«
    »Angus Sherman«, stellte sich der Mann vor. »Bitte, treten Sie doch näher.«
    Sie saßen schließlich auf einem uralten Sofa in einem warmen Wohnzimmer und hielten jeder ein Glas mit Sherry in der Hand. Die Wohnung war penibel aufgeräumt, offenbarte aber die Armut ihres Bewohners: wenige Möbel, und diese nur von der einfachsten und billigsten Sorte. Allerdings gab es viele Bücher.
    Mr. Sherman erzählte, dass er Tara hatte heranwachsen sehen. »Ich war gut mit ihrem Vater bekannt. Ein sehr netter Mann. Sehr besonders. Er und Tara hingen so aneinander. Sein früher Tod war eine Tragödie für das Mädchen, eine echte Tragödie. Niemand hat so etwas kommen sehen. Er erlitt einen Herzinfarkt, fiel einfach um und war kurz darauf tot. Da war er noch nicht mal vierzig Jahre alt!«
    »Mr. Sherman, wir müssten wissen, ob …«, setzte John an.
    Angus Sherman nickte. »Natürlich. Mir fiel da vorhin etwas ein, als Ihr Bekannter«, er machte eine Kopfbewegung hin zu dem aufgeregt zappelnden Samson, »an der Tür stand und nach einem Rückzugsort für Tara fragte. Da fiel mir die Hütte ein.«
    »Eine Hütte ?«
    »Im Peak District. Ganz oben im nördlichen Teil, wo die Moore sind und praktisch kein Mensch wohnt. Dort hatten sie eine Hütte.«
    »Inmitten der Einsamkeit?«
    »Inmitten der Einsamkeit. Ike Caine – der Vater – hat sie damals eigenhändig gebaut. So eine Art Blockhaus. Gleich nach der Heirat mit Lucy. Es sollte ein Geschenk für sie sein.«
    »Und Tara ging gern dorthin?«
    »Sowie es das Wetter zuließ, verbrachte die Familie praktisch jedes Wochenende dort. Tara liebte diese Aufenthalte. Ich habe Ike manchmal gewarnt. Die Hütte war völlig illegal an irgendeinem Waldrand errichtet. Das Land gehörte den Caines nicht, und sie hatten auch nie eine Genehmigung eingeholt. Aber Ike lachte dann nur. Angus, kein Mensch wird sich daran stören, sagte er zu mir, wir haben dort kein Wasser, keinen Strom. Eine kleine Hütte am Wald. Sieht nicht mal so viel anders aus als die Futterunterstände für das Wild. Ich glaube, niemand wird sie je bemerken. Und tatsächlich gab es nie ein Problem. Jedenfalls nicht, solange Ike Caine lebte.«
    »Glauben Sie, dass diese Hütte noch steht?«, fragte John.
    Angus wiegte nachdenklich den Kopf. »Tja, ich weiß nicht … Ike hat sie in der ersten Hälfte der Siebzigerjahre gebaut. 1978 ist er gestorben. Danach war die Familie, glaube ich, nur noch selten dort. Aber eigentlich … Sie könnte schon noch stehen, oder?« Er sah John fragend an.
    Dreißig Jahre. John hatte seine Zweifel. Aber es war ein Strohhalm. Der einzige.
    »Wissen Sie, ob Tara später noch dort hinging?«, fragte er.
    Angus blickte ihn bedauernd an. »Ich weiß es nicht genau. Nachdem Ike tot war, verlor ich nach und nach den Kontakt zu der Familie. Der Mann, den Lucy dann heiratete … na ja, ich kann nicht direkt etwas gegen ihn sagen, aber er war jedenfalls nicht jemand, zu dem es mich besonders hinzog. Und Tara war nicht mehr die Alte. Davor, also bevor ihr Vater starb, war sie ein fröhliches, offenes, lebhaftes Mädchen. Sie lachte und redete viel. Aber dann wurde sie zu einer absolut verschlossenen Person. Schien sich völlig von ihrer Umwelt abzukapseln. Man kam nicht mehr an sie heran. Daher wusste ich eigentlich nichts mehr über ihr Leben. Solange sie keinen Führerschein hatte, konnte sie jedenfalls nicht allein zu der Hütte fahren. Auch mit dem Fahrrad war das zu weit. Ob sie es später tat … keine Ahnung.«
    »Wissen Sie, wo genau sich die Hütte befindet?«, fragte John.
    Angus stand auf, holte ein Buch aus dem Regal und begann darin zu blättern. »Ein Buch über den

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