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Beobachter

Beobachter

Titel: Beobachter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Link
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meinem Bruder und mir. Aber leider steht er völlig unter ihrem Pantoffel. Ich kann nicht begreifen, wie er eine solche Giftspritze heiraten konnte. Na ja, sie war ganz attraktiv früher …«
    Gavin hatte nie Probleme mit Frauen gehabt. Er war kein Mann, auf den sie alle flogen, aber er war auch nicht jemand, um den sie alle einen Bogen machten. Es war irgendwie alles immer ziemlich normal gewesen bei ihm. Unauffällig. Gavin war durchschnittlich, in jeder Hinsicht. Samson wusste, dass die meisten Menschen sich über eine Charakterisierung als Durchschnittgeärgert hätten. Aber die hatten keine Ahnung, wie es sich anfühlte, einer zu sein, dem nichts gelang und auf dem alle herumtrampelten. Einer, der eben unterdem Durchschnitt lag.
    »Ich finde dein Frauchen ganz hübsch«, sagte er zu Jazz. »Sie gefällt mir nicht so gut wie Gillian, aber Gillian ist leider schon verheiratet.«
    Jazz stieß ein leises Wuff aus.
    Er streichelte ihn über den wuscheligen Kopf. »Dein Frauchen nimmt mich bisher gar nicht wahr. Aber vielleicht ändert sich das heute. Du musst wirklich keine Angst haben. Heute Abend siehst du sie wieder.«
    Sie hatten den Parkplatz des Golfclubs erreicht. Ein einziges Auto stand dort, sonst war alles völlig leer an diesem kalten, frühen Morgen. Nur deshalb wagte es Samson, eine Runde um das Clubhaus zu drehen. Alle Fenster waren dunkel, niemand war dort. An der Eingangstür hing ein großes Plakat, das einen festlichen Weihnachtsball ankündigte, der am kommenden Samstag im Club stattfinden sollte. Organisiert hatte ihn, wie das Plakat in besonders großer Schrift und in schrillem Rot verriet, der bekannte Londoner Rechtsanwalt Logan Stanford. Höhepunkt würde eine Tombola sein, deren Erlös russischen Straßenkindern zugutekommen sollte.
    Samson kannte Logan Stanford. Nicht persönlich natürlich. Aber aus den Klatschzeitungen, die Millie so gerne las und überall zu Hause herumliegen ließ. Stanford war ein überaus erfolgreicher Anwalt, dem erstklassige Verbindungen zu den Reichen und Mächtigen des Landes, sogar bis in die Downing Street hinein nachgesagt wurden. Er verfügte über beides in außerordentlichem Maße: Geld und Einfluss. Und er war bekannt für die ständigen Wohltätigkeitsveranstaltungen, die er überall im Land organisierte. Man hatte ihm den Namen Charity-Stanford gegeben, und er tat alles, dem weiterhin gerecht zu werden. Er brachte große Spenden zusammen und ließ sie den wirklich Hilfsbedürftigen dieser Welt zugutekommen, und doch konnte Samson nie anders, als ihn mit Vorbehalten zu betrachten, wenn er ihn wieder einmal auf den bunten Seiten in der Hello! sah. Er fand, dass Stanford ausgesprochen selbstgerecht dreinblickte. Und auch seine Gäste … Jede Menge geliftete Gesichter, erstarrt von Botox, aufwendige Abendkleider, funkelnder Schmuck. Champagner bis zum Abwinken. Die Society zelebrierte in erster Linie sich selbst, aber unterm Strich kam unbestritten Geld für diejenigen heraus, denen es weit weniger gut ging als der britischen Upperclass.
    »Na und?«, hatte Millie gesagt, als er sein Unbehagen einmal zum Ausdruck brachte. »Wo ist das Problem? Die tun wenigstens etwas. Wenn sie dabei ihren Spaß haben – wen stört das?«
    Er konnte selbst nicht recht benennen, was ihn störte. Vielleicht war es das Gefühl, dass es diesen Menschen nicht um das Elend in der Welt, sondern vor allem um ihre Selbstdarstellung ging. Vielleicht konnte er die Probleme russischer Straßenkinder nicht in einen Zusammenhang mit den operierten Gattinnen der oberen Zehntausend von England bringen.
    Aber vielleicht war das Blödsinn. Vielleicht ging es letztlich wirklich nur um das Ergebnis und nicht darum, ob alle Beteiligten tatsächlich reinen Herzens und mit vollster Überzeugung hinter ihrer Wohltätigkeit standen. In diesem Punkt hatte Millie schon recht: Wenigstens taten sie etwas.
    Samson trieb sich eine ganze Weile am Clubhaus und auf dem Parkplatz herum, dann wagte er schließlich den Weg hinunter zum Fluss. Natürlich bestand das Risiko, dass er auf die wahrscheinlich völlig aufgelöste Besitzerin von Jazz traf, aber ihm konnte nichts passieren: Er würde behaupten, den Hund aufgegriffen zu haben und gerade auf dem Weg zurück zu seinem Zuhause zu sein.
    Unbehelligt erreichte er den Strand. Der Sand war nass und schwer, und der Nebel hing in dunklen Wolken über dem Wasser. Die Möwenschreie klangen gedämpft. Es war nicht mehr so kalt wie noch vor einigen Tagen, aber

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