Beobachter
Eleanor Sullivan. Sie war mit den Roberts’ locker befreundet. Ich habe auch sie aufgesucht.«
»Und wie reagierte dabei Ihr Instinkt?« Peter fragte das keineswegs spöttisch. Er hatte während der letzten Jahre gelernt, eine Menge auf Christys Instinkt zu geben. Was damit zusammenhängen mochte, dass er sie als Frau bewunderte und verehrte.
»Er schlug nicht wirklich in den hellsten Tönen an«, musste Christy bedauernd zugeben. »Eher gar nicht. Unwahrscheinlich, nach meiner Ansicht, dass der Mörder aus Carlas früherem Leben kommt – es sei denn, es gab Abgründe, die niemandem bekannt waren. Mrs. Sullivan erinnert sich noch gut an Carla und beschreibt sie genauso wie jeder andere: schüchtern, zurückhaltend, sympathisch, sehr freundlich. Sie sagt, Carla habe ihres Wissens nie mit anderen Menschen Probleme gehabt. Sie formulierte es so: Carla sei viel zu still und zu unauffällig gewesen, als dass sie mit jemandem habe in Streit geraten können. Sie muss ein ausgesprochen bescheidener Mensch gewesen sein, der Konflikten aus dem Weg ging und wohl kaum jemanden je provozierte.«
»Hm«, machte Peter erneut. »Es ist zum Verzweifeln: Sie besaß nicht einmal einen Computer. Es gibt keine E-Mail-Kontakte, keine Foren, keine Websites, die uns Aufschluss geben könnten. Wir tappen so jämmerlich im Dunkeln!«
Was Carla Roberts das Leben schwer gemacht hatte, ihre Scheu und ihre Unscheinbarkeit, erschwerte nun auch die Aufklärung der Umstände ihres gewaltsamen Todes. Eine Frau ohne Ecken und Kanten, die nie mit einem anderen Menschen zusammengestoßen war. Die dann trotzdem auf grausame Weise sterben musste. In irgendjemandem musste dieser Ausbund an Unauffälligkeit entsetzliche Aggressionen ausgelöst haben.
»Es muss etwas gegeben haben in ihrem Leben«, sagte er, »es muss etwas gegeben haben, was den Täter zu dieser Brutalität getrieben hat. Es ist eine Sache, ob man jemanden aus sicherer Entfernung einfach abknallt. Eine andere ist es, jemanden zu fesseln und ihm ein Tuch so tief in den Rachen zu stoßen, dass er erbrechen muss. Es dann noch tiefer zu drücken und es auszuhalten, dass der andere in einem grauenhaften Todeskampf an seinem eigenen Erbrochenen erstickt. Meiner Ansicht nach gehört eine Menge Hass dazu. Wodurch hat Carla Roberts ihn ausgelöst? Sie kann nicht nur wie ein freundlicher, kaum wahrnehmbarer Schatten durch den Alltag gehuscht sein.«
»Es sei denn, ihre Ermordung hat überhaupt nichts mit ihr als Person zu tun«, gab Christy zu bedenken, »sondern hängt ausschließlich damit zusammen, dass sie in ihrer Einsamkeit ein passendes Opfer abgab. Für einen Mann, der grundsätzlich ein Problem mit Frauen hat. Immerhin war das gleich der erste Gedanke, der uns allen durch den Kopf schoss, als wir sahen, was man ihr angetan hatte.«
»Trotzdem, wir müssen uns an ihr Leben halten, weil wir keine sonstigen Anhaltspunkte haben.« Er unterdrückte ein Gähnen. Er war so müde. »Hat diese Mrs. Sullivan etwas über die Ehe der Roberts’ gesagt?«
»Ja. Es war wohl eine ziemlich normale Ehe. Ohne Höhen und Tiefen. Der Mann hat viel gearbeitet, war ständig in seiner Firma. Carla fiel aus allen Wolken, als sie von dem finanziellen Desaster erfuhr und von der Tatsache, dass er sie jahrelang betrogen hatte. Am meisten erschütterte es sie wohl, dass sie nie etwas mitbekommen hatte. Mrs. Sullivan telefonierte damals mit ihr, und sie soll am Telefon geradezu stereotyp nur immer wieder den Satz wiederholt haben: Wieso habe ich es nicht gemerkt? Wieso habe ich es nicht gemerkt? Damit kam sie nicht klar.«
»Ist ihr Mann ihr gegenüber jemals gewalttätig gewesen? Oder überhaupt durch einen Hang zu Gewalt auffällig geworden?«
»Nein. Es muss auf eine etwas langweilige, unspektakuläre Art durchaus eine glückliche Ehe gewesen sein. Auch sonst galt er als ruhiger, eher biederer Zeitgenosse. Die Scheidung ging laut Eleanor Sullivan glatt über die Bühne. Finanziell ausgenommen hat sie ihn dabei nicht, es war ja auch absolut nichts mehr zu holen. Außerdem verschwand er dann sehr schnell auf Nimmerwiedersehen.«
Fielder hätte bei sich selbst nicht von einem Instinktgesprochen, wenn es um die Arbeit ging, aber er hatte doch das deutliche Gefühl, dass sie ihre Zeit verschwendeten, wenn sie dem verschollenen Exehemann hinterherspürten. Er glaubte nicht, dass dieser etwas mit dem Mord an Carla zu tun hatte.
Er wechselte das Thema. »Was ist mit der Eingangstür des Hochhauses? Gibt es dazu
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