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Beobachter

Beobachter

Titel: Beobachter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Link
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plötzlich von ihrer schlichten Antwort überzeugt. »Ich verstehe.«
    Eine Weile sagte keiner von ihnen etwas, und schließlich fragte Gillian: »Weshalb wollten Sie mich treffen? Ich meine … unsere letzte Begegnung kann nicht besonders anregend für Sie gewesen sein.«
    »Wieso nicht?«
    »Im Wesentlichen habe ich Ihnen etwas vorgeheult. Und Ihnen ein paar gewöhnliche und banale Sorgen geschildert. Nicht gerade aufregend.«
    Er sah sie nachdenklich an. »Ich habe Sie nicht als eine Frau mit banalen Sorgen empfunden.«
    »Als was dann?«
    »Als eine sehr attraktive Frau, die ein paar Probleme hat. Und wer hat die nicht?«
    »Ich hatte am Ende den Eindruck, dass Sie verärgert waren.«
    »Ich war nicht verärgert. Abweisend vielleicht. Sie haben ein Thema angesprochen, über das ich nicht reden wollte.«
    »Ihr Ausscheiden aus dem Polizeidienst.«
    »Richtig«, sagte er, und seine Miene verschloss sich.
    Diesmal war Gillian klug genug, nicht zu insistieren. »Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet«, sagte sie. »Weshalb dieses Treffen heute?«
    Er lächelte. »Doch. Eigentlich habe ich geantwortet.«
    Sie wartete.
    »Ich habe gerade gesagt, dass Sie eine sehr attraktive Frau sind«, erklärte er.
    »Das ist der Grund?«
    »Um ehrlich zu sein – ja.«
    Seine Direktheit hatte etwas Entwaffnendes. Gillian musste lachen. »Ich bin verheiratet.«
    »Ich weiß.«
    »Und wohin soll das alles führen?«
    »Das entscheiden Sie«, sagte John. »Schließlich sind Sie diejenige, die verheiratet ist. Sie haben eine Familie. Sie müssen einen Besuch bei Ihrer Freundin vortäuschen, wenn Sie mich treffen wollen. Sie müssen wissen, wie weit Sie gehen möchten.«
    »Vielleicht will ich jetzt bloß meinen Wein zu Ende trinken und dann nach Hause gehen.«
    »Vielleicht«, sagte John und lächelte wieder.
    Sein Lächeln wirkte von oben herab, und er schien nicht zu glauben, dass sie das wirklich tun würde: nach Hause gehen. Sie merkte, dass sie ärgerlich wurde. John Burton wirkte auf einmal ausgesprochen routiniert und vermittelte ihr das Gefühl, manipuliert zu werden. Wahrscheinlich zog er gerade eine vielfach erprobte Masche ab, die aus einer geschickten Abfolge von Entgegenkommen und Rückzügen bestand, von gleichmütig hervorgebrachten Statements und der Verlockung eines im richtigen Moment aufgesetzten, etwas zynischen Lächelns. Sie dachte an die Weihnachtsfeier im Handballclub, als die andere Mutter neben ihr über das Liebesleben des gut aussehenden Trainers gerätselt hatte. Wahrscheinlich gab es tatsächlich keine beständige Partnerin in seinem Leben, und es war auch nicht das, was er anstrebte. Er verführte, was ihm gefiel und was ihm über den Weg lief, lebte kurze Affären und wandte sich dann dem nächsten Objekt seiner Begierde zu.
    Gillian war sich bewusst, dass sie manchmal keine genaue Vorstellung davon hatte, was sie wollte, aber für den Moment war ihr zumindest klar, was sie nicht wollte: eine weitere Trophäe inmitten der langen Kette von Eroberungen eines attraktiven Frauenhelden zu sein. Sie trank den letzten Schluck in ihrem Glas und wehrte ab, als John nach der Karaffe griff.
    »Für mich nichts mehr, danke. Es war nett mit Ihnen, John. Ich denke, ich fahre jetzt nach Hause.«
    Er wirkte überrascht. »Jetzt schon?«
    Sie stand auf. »Ja. Ich habe mich entschieden, wissen Sie.«
    Er erhob sich ebenfalls, aber sie lief bereits zur Garderobe, schnappte sich ihren Mantel und war durch die Tür, noch ehe sie ihn angezogen hatte. Nach der verbrauchten, stickigen Luft drinnen war es wunderbar, den feuchtkalten Abend draußen zu spüren. Gillian genoss die Kühle und die Stille. Direkt vor ihr lagen der Strand und der Fluss. Sie sah die abgrundtiefe nächtliche Dunkelheit des Wassers, hörte das leise Gurgeln der Wellen. Roch Salzwasser und Tang. Sie schlüpfte in ihren Mantel. Ihr fiel plötzlich ein riesiges Gewicht von der Seele. Was hatte sie sich bloß gedacht, als sie beschloss, hierherzukommen?
    Sie hatte ihr Auto, das an der Straße parkte, fast erreicht, als John Burton hinter ihr auftauchte. Er war ein wenig außer Atem. »Nun warten Sie doch«, sagte er. »Meine Güte, haben Sie ein Tempo drauf! Ich musste schließlich noch bezahlen …«
    »Mir lag ja auch nicht daran, auf Sie zu warten«, sagte Gillian und öffnete mit der Fernbedienung ihre Wagentüren. Sie wollte einsteigen, aber John hielt sie am Arm fest.
    »Was habe ich falsch gemacht?«, fragte er.
    »Im Prinzip wahrscheinlich gar

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