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Beobachter

Beobachter

Titel: Beobachter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Link
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müsste. Sie ist auch nicht einfach schlecht gelaunt wie ihre Tochter. Sie ist … ja, vielleicht könnte man am ehesten sagen: unruhig, obwohl auch das es nicht wirklich trifft. Unruhig klingt fast zu schwach. Sie ist hochgradig angespannt, nervös, erregt. Sie kommt mir vor wie ein Mensch, der in sich ziemlich zerrissen ist, und ich frage mich: Weshalb? Was in ihrem Leben löst diese Zerrissenheit in ihr aus?
    Sie lächelte mir kurz zu, aber ohne echte Wärme. Sie kennt mich ja auch eigentlich nicht. Sie weiß nicht, wie tief sie schon in meinen Gedanken ist, in meinen Tagträumen und nachts in meinem Unterbewusstsein. Wie sehr ich mir wünsche, ihr nahe zu sein. Nicht, dass ich die Familie zerstören will! Jede Familie ist mir heilig. Ich finde es schrecklich, wie schnell sich die Menschen heutzutage trennen, scheiden lassen, sich in die nächste Beziehung stürzen. Als wäre eine Ehe irgendeine hübsche Zwischenstation, aus der man sich ganz rasch verabschiedet, wenn die Dinge einmal nicht so toll laufen. Deshalb würde ich nie versuchen, die Gunst einer verheirateten Frau zu gewinnen. Ich würde mich allein für die Vorstellung verachten.
    Ich will nur teilhaben. An Gillians Leben. An ihrer Familie. Es ist die Sehnsucht, etwas mitzuerleben, das ich selbst nie haben werde. Es wird mir nie gelingen, eine Familie zu gründen, ich werde nie heiraten, nie Vater sein. Ich weiß das längst, auch wenn mein Freund Bartek die Hoffnung nicht aufgibt und gestern wieder mit Internet-Dating anfing. Es wird einfach nichts bringen. Ich kann nicht mehr, als Zuschauer bei anderen zu sein.
    Ich sah ihnen nach, als sie wegfuhren. Ich stand da in der Kälte des Tages, in die gelegentlich Schneeschauer fielen, und spürte, wie mir auch innerlich ganz kalt wurde. Das hatte mit den Wards zu tun. Es wird etwas passieren, das spürte ich nur zu genau, und ich spüre es auch jetzt noch.
    Ich habe dann meine Runde fortgesetzt, aber ich war unkonzentriert, irgendwie nicht bei der Sache. Dieses intensive Gefühl nahenden Unheils … Ich bin kein Hellseher, aber ich habe wache Sensoren. Ich musste plötzlich auch wieder an den Typen denken, mit dem Gillian im Pub saß. Noch bringe ich das alles nicht zusammen, aber der Kerl hat mir nicht gefallen, und das passt zu der gesamten unglücklichen Situation, die über dieser Familie zu lasten scheint.
    Unten fällt die Haustür ins Schloss. Ich höre Millies Schritte auf dem Gartenweg. Wütende, energische Schritte, und die Tür hätte sie auch leiser schließen können. Ich vermute, sie hatte wieder Streit mit Gavin.
    Zudem vermute ich, dass ich der Grund war.
    Vielleicht sollte ich wirklich ausziehen. Ich mache Gavin das Leben schwer und mir auch. Es ist schrecklich, so unerwünscht zu sein. Am Ende wäre Alleinsein besser.
    Am besten wäre, ich wäre nicht ich. Sondern ein ganz anderer.
    2
    Sie wählte seine Nummer, ehe der Mut sie verlassen konnte. Es war nach zehn Uhr am Abend, aber wie sie John einschätzte, gehörte er nicht zu den Menschen, die früh ins Bett gehen. Zudem war die Frage der Uhrzeit auch nicht das größte Problem in dieser ganzen Angelegenheit. Sondern die Tatsache, dass sie es überhaupt tat: Dass sie einen Mann anrief, der ihr gesagt hatte, wie fasziniert er von ihr war.
    Der ganz klar eine Affäre mit ihr beginnen wollte.
    Während sie ganz klar verheiratet war.
    Tom hatte sich früh schon ins Schlafzimmer zurückgezogen. Sie konnte hören, dass dort der Fernseher lief, irgendeine Sportsendung. Sie waren alle zusammen über Mittag nach Windsor hinausgefahren, waren dort lange spazieren gegangen und hatten in einem Landgasthof Kaffee getrunken, und als sie zurückkehrten, hatten sie Farbe im Gesicht und waren guter Dinge. Gillian buk Baguettes mit Kräuterbutter im Backofen und aß mit ihrer Familie zu Abend. Becky wollte danach unbedingt Twilight auf DVD sehen, und Gillian setzte sich mit ihr zusammen ins Wohnzimmer und versuchte zu verstehen, weshalb ihre Tochter und alle ihre Freundinnen nach diesem Film regelrecht süchtig waren. Das Wandern in der Kälte am Nachmittag hatte Becky müde gemacht, irgendwann schlief sie ein und kuschelte sich dabei an ihre Mutter. Gillian streichelte ihre Finger, was sie immer gemacht hatte, als Becky noch klein gewesen war, und Becky atmete leise und sah süß und rosig wie ein kleines Mädchen aus.
    Gillian, die sich längst von Edward und Bella auf dem Bildschirm abgewandt hatte, betrachtete das friedliche, zarte Gesicht, von dem der

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