Beobachter
um Rückruf gebeten, aber vergeblich. Dabei konnte er zwei Erfolge vermelden: Er hatte interessierte mögliche Käufer für das Haus im Wald von Tunbridge Wells gefunden. Und er hatte eine bezaubernde Wohnung in Belgravia völlig neu in sein Programm bekommen, von der er überzeugt war, dass sie perfekt zu Anne Westley passte. In beiden Fällen hätte er gern noch vor Weihnachten Besichtigungen durchgeführt.
Er verstand nicht, weshalb sie nicht reagierte. Sie hatte so interessiert gewirkt, so entschlossen, ihrer zweifelhaften Idylle da draußen im Wald endlich zu entkommen. Was Luke nur zu gut verstehen konnte. Ein bezauberndes Anwesen, aber er hätte es keine drei Tage dort ausgehalten.
Das Ehepaar, das sich dafür interessierte, hatte fünf Kinder und jede Menge Tiere. Auch hier war Luke Palm davon überzeugt, der Familie das perfekte Haus anbieten zu können. Es machte ihn zunehmend nervös, dass es ihm nicht gelang, den Kontakt herzustellen.
Und es bereitete ihm Sorgen.
An diesem Donnerstag hatte er mehrmals angerufen. Wieder nur der Anrufbeantworter. Er hatte nicht mehr darauf gesprochen, weil sein Text schon an die fünf oder sechs Mal darauf gespeichert sein musste. Aber er begann sich zu fragen, ob er jetzt seinem Grundsatz untreu werden würde, einen Kunden niemals zu bedrängen.
Er spielte mit dem Gedanken, genau das eben doch zu tun. Einfach hinauszufahren und Anne Westley aufzusuchen. Und herauszufinden, was eigentlich los war.
Es war am frühen Nachmittag, er hatte keine Termine mehr, nur noch etlichen Papierkram, den er aber auch daheim erledigen konnte. Eigentlich wollte er nach Hause und sich dort noch ein paar Stunden an den Schreibtisch setzen, aber er zögerte. Vielleicht sollte er doch noch nach Tunbridge Wells fahren und nach Anne sehen. Er hatte ein ungutes Gefühl. Sie war verdammt allein da draußen. Natürlich bestand die Möglichkeit, dass sie den Plan umzuziehen hatte fallen lassen, aber wie er sie einschätzte, hätte sie ihm Bescheid gegeben. Sie wäre nicht einfach abgetaucht.
Luke Palm blickte auf seine Armbanduhr. Kurz nach drei. Draußen schneite es. In immer dickeren Flocken. Es hatte in der Vorwoche bereits ein paar Schneeschauer gegeben, aber das war alles ziemlich schnell wieder weggetaut. Jetzt würde der Winter wirklich kommen, und allerorts hoffte man schon auf eine weiße Weihnacht. Die Meteorologen hatten für den Abend äußerst heftigen Schneefall vorausgesagt, aber da Luke nicht vorhatte, sich lange aufzuhalten, würde er bis dahin hoffentlich daheim sein. Er wollte ja nur kurz nach ihr schauen. Sich vergewissern, dass alles in Ordnung war, und ihr sagen, dass es Interessenten gab, die ihr Haus gerne ansehen würden.
Um zwanzig nach drei machte er sich auf den Weg.
Im beginnenden Schneefall und der daraus resultierenden Hysterie der Autofahrer dauerte es noch länger als sonst, bis er die Stadt hinter sich lassen konnte. Es war fast fünf Uhr, als er den kleinen Ausflugsparkplatz am Waldrand hinter Tunbridge erreichte. Kein einziges Auto parkte dort. Nach kurzem Überlegen beschloss Luke, seinen Wagen stehen zu lassen und den Rest der Strecke zu Fuß zu gehen. Das Schneetreiben war dichter geworden, und er misstraute dem unbefestigten Weg, der zum Haus von Anne Westley führte. Er verspürte wenig Lust, an irgendeiner Stelle steckenzubleiben und sich freischaufeln zu müssen.
Es wurde schon dunkel, und in diesem Wald voller hoher Bäume war es noch dunkler. Luke stapfte den schmalen Weg entlang, empfand die Atmosphäre weihnachtlich und romantisch, aber zugleich bedrohlich. Der Schnee ließ die Welt so still sein. Friedlich still oder so, als hielte sie den Atem an? Er vermochte es nicht zu sagen. Er fragte sich erneut, wie es ein Mensch aushalten konnte, so zu leben.
Und plötzlich fast verärgert dachte er: Das hätte er nicht tun dürfen. Westley. Seine Frau hier herausschleppen, um seine eigenen Träume zu verwirklichen. So etwas kann man einem anderen nicht antun!
Nicht, dass Anne geklagt hätte. Aber Luke Palm verfügte über sensible Antennen. Er hatte durchaus herausgehört, dass es vor allem der verstorbene Mann gewesen war, der hier seine Wünsche umgesetzt hatte, und dass es Anne nicht ganz leichtgefallen war, ihm zu folgen. Nur ihre Loyalität über seinen Tod hinaus hatte sie bislang dort festgehalten.
Der Weg öffnete sich zu der Lichtung, auf der das Haus stand. Es sah alles aus wie immer, vielleicht sogar noch verwunschener, weil die Flocken
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