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Beobachter

Beobachter

Titel: Beobachter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Link
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Blick in die Runde fest, »allerdings nicht so ganz mein Geschmack.«
    »Hm«, machte Fielder. Langsam ging er von Bild zu Bild.
    »Meinen Sie, wir finden hier etwas?«, fragte Christy zweifelnd.
    »Ich weiß nicht. Aber ich denke, ich kann Anne Westley so etwas näherkommen. Die Bilder sind ein Teil von ihr. Sie erzählen etwas über sie, aber natürlich muss man sie auch richtig entschlüsseln.«
    »Meine Interpretation mag ja naiv sein«, sagte Christy, »aber wenn ich Anne Westley zu beschreiben hätte, würde ich den Bildern nach sagen: eine lebensfrohe, ausgeglichene, glückliche Frau. Wobei mir klar ist, dass keine dieser Eigenschaften einen Menschen davor schützt, ermordet zu werden.«
    Fielder blieb stehen. Er zog eine Decke von einer Staffelei und betrachtete das Bild, das sich darunter verbarg. »Hier ist etwas«, sagte er, »das nicht ganz so lebenslustig wirkt!«
    Christy trat näher.
    Das Bild sah tatsächlich völlig anders aus als alles, was sich sonst in diesem Atelier befand. Ein schwarzer Hintergrund. Zwei Lichtkegel. Ein flirrender Strahl aus Lampen oder Scheinwerfern. Nicht sorgfältig und plakativ gemalt, nicht liebevoll bis ins kleinste Detail ausgeführt, wie es sonst die Gewohnheit der Künstlerin zu sein schien. Das Bild wirkte hingefetzt, die Leinwand schien geradezu zornig mit dem Pinsel bearbeitet worden zu sein. Ein Bild, das trotz des eher neutralen Motivs Wut auszudrücken schien.
    Und Angst.
    Christy schien die Zeichnung eine Menge Begabung zu verraten, mehr als die Blumen und Bäume und friedlichen Sommerlandschaften ringsum. Sie fragte sich, wie ein Bild, das nichts weiter zeigte als zwei Lichter in der Dunkelheit, gleichzeitig so starke Emotionen ausdrücken konnte.
    »Was stellt das hier dar, Sergeant – ganz spontan gesagt?«, fragte Fielder.
    Christy überlegte nicht lange. »Autoscheinwerfer. In der Nacht.«
    Er nickte, kniff dann die Augen zusammen. »Haben Sie den Eindruck, auf die Lichtquelle selbst zu blicken?«
    »Auf die Lichtquelle selbst? Wie meinen Sie das?«
    »Na ja, ich habe nämlich nicht diesen Eindruck. Ich finde, es wirkt eher so, als schaue man auf ein Spiegelbild. Also nicht in das Licht selbst, sondern auf das Abbild des Lichtes.«
    »Kann sein. Und was sagt uns das?«
    »Das weiß ich noch nicht. Das Licht von Autoscheinwerfern, das über eine Wand gleitet?«
    »Ich verstehe nicht, was …«
    »Ich auch nicht. Es kann auch alles ganz unerheblich sein. Aber das Bild unterscheidet sich sehr deutlich von allem, was wir hier sonst sehen. Und es war noch dazu abgedeckt. So, als habe Anne Westley es selbst nicht gern betrachtet. Trotzdem hat sie es gemalt. Und zwar mit ziemlich starken Gefühlen, wie es scheint.«
    Christy gab ihm recht, fand jedoch nicht, dass sie damit auch nur einen Schritt näher an einem Durchbruch in diesem Fall waren.
    »Sir – wir bewegen uns vollkommen im Bereich des Spekulativen. Wir wissen nicht, ob …«
    Er unterbrach sie ungeduldig. »Stimmt. Wir wissen nichts. Aber wir müssen irgendwo ansetzen. Ich bin weder Psychologe noch kreativer Künstler, aber bei diesem Bild springt mich etwas an, und zwar das Gefühl von Angst. Mehr noch als Wut oder Aggression. Anne Westley hatte Angst vor irgendetwas oder irgendjemandem. Und das erinnert mich an Carla Roberts. Sie hatte auch Angst. Das hat sie ihrer Tochter in jenem letzten Telefonat gesagt. Hier sehe ich eine Gemeinsamkeit, und deshalb ist es wichtig.«
    »Aber bringt es uns weiter?«
    Er musterte noch immer das Bild. »Keine Ahnung. Aber wenn Sie mich fragen, Anne Westley hat gewusst, dass sie in Gefahr war. Deshalb wollte sie auch Hals über Kopf zwei Wochen vor Weihnachten ihr Haus verkaufen. Der Täter bewegte sich vielleicht bereits über einen langen Zeitraum in ihrer Nähe. Und sie hatte ihn bemerkt.«
    »Und jetzt?«, fragte Christy.
    Er antwortete nicht. Er riss sich von dem Bild los. Für den Moment brachte es nichts, noch länger darauf zu starren. Es war so intensiv in seiner Wirkung, besonders im Zusammenhang mit der ermordeten Frau, dass es sich ohnehin fast gewaltsam auf seine Netzhaut gebrannt hatte. Er würde es mit sich tragen. Es betrachten und hoffen, dass ihm eine Erleuchtung kam.
    Sie gingen wieder hinunter. Christy ließ ihren Blick über die Zeichnungen an den Wänden, die schönen Teppiche auf dem Fußboden, die Gardinen an den Fenstern schweifen. Alles war so liebevoll, mit viel Geschmack und großer Sorgfalt zusammengestellt worden. Nach dem, was das Haus

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